Weimarer Verhältnisse

Eigentlich wollte ich heute nichts mehr schreiben zum Wahlkampf, denn es reicht ja.

Allein: Die seit gestern umgestaltete SPD-Homepage mit einem Wahlaufruf läßt mich doch noch einmal zur Tastatur greifen. Wer “Weimarer Verhältnisse” nicht wolle und dagegen sei “dass die Zukunft unserer Stadt weiter von zahlreichen Splitter-parteien abhängt, die ihre Klientelpolitik durchsetzen, aber keine Perspektive für ganz Wermelskirchen” böten, der solle heute SPD wählen.

Hm. Weimarer Verhältnisse. Das waren nicht nur die vielen Parteien im Deutschen Reichstag. Das waren vor allem das politische Chaos,  die bürgerkriegsähnlichen Verhältnisse, Umsturzversuche und Aufstände, in die undemokratische Kräfte die Gesellschaft und die Demokratie stürzen wollten und gestürzt haben. Das war eine bestimmte Kultur des Krawalls, eine Politik der Gewalt – gegen eine noch nicht sehr entwickelte demokratische Kultur, gegen eine nicht wirklich wehrhaft gewordene Demokratie.

Von all dem kann in Wermelskirchen aber keine Rede sein. Zugegeben: wir haben viele Parteien im Rat. Das alleine aber reicht keineswegs aus, mit dem Schreckgespenst der “Weimarer Verhältnisse” zu operieren.

Mich wundert doch bisweilen, wie sorglos die SPD mit historischen Vergleichen umgeht.

2 Kommentare

  1. Michael Lichtenberg

    Auch die SPD in Wermelskirchen ist eine Splitterpartei!

    Auf der Homepage der SPD zu lesen, Wermelskirchen lebe in “Weimarer Verhältnissen” war schon interessant. Splitterparteien wurden dem Wähler ans Herz gelegt, er solle diese nicht mehr zu wählen.
    Nach der Zeitungslektüre heute Morgen weiß ich nun, auch die SPD ist eine Splitterpartei, trennen sie doch nur wenige Nachkommastellen von anderen.

    Füpr meine Stadt wünsche ich mir, dass es in den kommenden Jahren möglich ist, dass alle Demokraten gemeinsam estwas für diese Stadt leisten.

    Michael Lichtenberg

  2. EDV-Schrauber

    Sie habe völlig recht. Der Vergleich mag -was die Zersplitterung der Parteienlandschaft betrifft- noch naheliegend sein, ignoriert aber völlig den sozio-historischen Kontext.

    Ich bin zwar “weltpolitisch” nicht ganz auf dem laufenden, aber ich hätte vielleicht here Italien als Vergleich gewählt… 🙂

    Mit freundlichem Gruß
    -EDV-Schrauber-

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