Tag: 8. November 2009

Gefährdungsmeldungssofortdienst

Immer am achten November feiert die ganze Familie, meine Onkel und Tanten, meine Nichten und Neffen, alle möglichen Freunde, den Geburtstag meiner Mutter. Seit zwei Jahren müssen wir ohne sie feiern. Heute frage ich meine Nichte im Rahmen dieses Familientreffens, ob sie denn nun eine feste Stelle habe als Sozialpädagogin. Ja, hat sie. Beim Jugendamt, in Köln. Und was macht sie dort? Ich habe es nicht verstanden. Auf ihrer Visitenkarte aber ist ihre Funktion klar und deutlich zu lesen. Der Dienst nennt sich: Gefährdungsmeldungssofortdienst. Behörde, kann man da nur kopfschüttelnd murmeln…

Maulkorb und Geldstrafe

Abgestraft. Weil er Kritik geübt hat, öffentlich, in einer Zeitung. Am Unternehmen. An der Führung. Philipp Lahm heißt der Abgestrafte, ist Verteidiger bei Bayern München und in der deutschen Fußballnationalmannschaft. Ein kluger, junger Mann gibt selbstbewußt der Süddeutschen Zeitung ein Interview, hält dabei mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg, kritisiert seine Vereinsführung für die Investitionspolitik – und wird jetzt mit der höchsten Geldstrafe bestraft, mit der der FC Bayern je einen seiner Angestellten bedacht hat. Man spricht von fünfzigtausend Euro. Der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens eben im Fernsehen: “Interviews der Spieler werden vom FC Bayern organisiert und autorisiert.” Ich bin nicht sicher, daß man einem Fußballer das Recht auf die eigene Meinung und zur öffentlichen Äußerung mit dem Gehaltscheck und dem Arbeitsvertrag abkaufen kann. Der große FC Bayern schafft jetzt, vielleicht, Ruhe, er tut sich aber keinen Gefallen, wenn er in der Krise Angestellte bestraft, die ihr bürgerliches Grundrecht wahrnehmen. Auch für Uli Hoeneß und Kalle Rummenigge gilt der Artikel 5 unseres Grundgesetzes: “Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. (…) Eine Zensur findet nicht statt.” Nirgendwo ist in diesem Text die Rede von einem autorisationsberechtigten Arbeitgeber. Und Vorbilder für die Jugend können die nicht sein, die ihren kritischen Mitarbeitern Maulkörbe verpassen.

Weltputzfrauentag

Man mag es ja nicht wirklich glauben. Aber heute ist wirklich der Tag der Putzfrau. Putzig ist vielleicht nicht der Tag selbst, sondern, wie er zustande gekommen ist. Gesine Schulz, ihres Zeichens Kriminalromanautorin, läßt ihre Romanheldin, Karo Rutkowsky, selbst das ehrenwerte und vollkommen unverzichtbare Gewerbe der Putzfrau ausüben. Irgendwann im Jahre 2004 hatte die Autorin dann die Einsicht, daß Putzfrauen zwar eine sehr verdienstvolle Tätigkeit für die Allgemeinheit ausüben, ihnen öffentliche Anerkennung aber kaum gezollt wird. Und so beschloß die Krimiautorin, diesem ehrenwerten Beruf einen Gedenktag zu schenken. Das wiederum ist im Zeitalter von Reglementierungen allerorten bemerkenswert unkompliziert: da es für die Festlegung von solchen Gedenktagen keinen zuständigen Menschen und keine verantwortliche Organisation gibt, stellte Gesine Schulz den “Tag der Putzfrau” gleich als internationale Institution in eine Online-Liste für Feier- und Gedenktage ein. Putzig.

Übrigens: die Krimiautorin putzt ihr Heim nach eigenem Bekunden selbst.

Linke und Reiche für Vermögensabgabe

Eine Vermögensabgabe für Reiche. Klar, das kann nur eine linke Forderung sein. Oder, schlimmer noch, eine Forderung der Linken. Ist es ja auch. Aber nicht nur. Es ist auch eine Forderung von etwa drei Dutzend Millionären in Deutschland. Der Deutschlandfunk hatte neulich ein Interview gesendet mit Peter Vollmer, Mitglied der Initiative “Appell für eine Vermögenssteuer”. In diesem Gespräch sagte Vollmer unter anderem:

Ich zahle eben immer weniger Steuern. Das ist die Frage. Ich habe angefangen mit einer Einkommenssteuer von 56 Prozent. Die wurde dann runtergesetzt auf 53 Prozent, dann wurde sie runtergesetzt auf 48 Prozent, dann auf 45 Prozent und dann auf 42 Prozent. Jetzt sind noch mal wieder drei Prozent oben draufgekommen. Das heißt, die Versteuerung von hohen Einkommen wird immer mehr reduziert. Und nun ist jetzt noch oben draufgekommen seit 1. Januar dieses Jahres, dass im Falle von Einkommen aus fest verzinslichen Papieren oder aus Sparguthaben und so weiter eine einheitliche Steuer eingeführt worden ist von 25 Prozent. Das heißt, auf diesen Teil zahle ich nicht mal mehr 45 Prozent, sondern nur noch 25 Prozent. Das ist fast noch mal eine Steuersenkung von 50 Prozent. Insofern verstehe ich fast gar nicht die Frage, warum Deutschland ein Hochsteuerland sein sollte. Es ist in Wirklichkeit ein Niedersteuerland. (…) Es gab bis 1997 eine Vermögenssteuer in Höhe von einem Prozent und in allen Ländern der OECD gibt es solche Vermögenssteuern oder Besitzsteuern, also Grunderwerbssteuer, Erbschaftssteuer und so weiter. Diese machen im Durchschnitt der OECD-Länder 1,9 Prozent aus, in Deutschland sind es nur 0,9 Prozent und in unseren Nachbarländern wie zum Beispiel Frankreich sind es über drei Prozent, in England sind es über vier Prozent. Es ist also völlig üblich, dass so eine Vermögenssteuer bezahlt wird. Das war ja auch so bis 1997. Wir denken, dass bei den wachsenden Vermögen, was ich ja eben schon geschildert habe, es durchaus gut wäre, eine Vermögenssteuer wieder einzuführen. Aber das bringt ja auch erst mal weniger, diese ein Prozent. Es gibt ja einen großen Nachholbedarf. Wenn wir überlegen, dass in den letzten zwölf Jahren keinerlei Vermögenssteuer bezahlt worden ist, wenn wir da mal nur ein Prozent nehmen, wären das ja zwölf Prozent. Da haben wir uns gesagt, wir fordern zwei Jahre lang hintereinander je eine Vermögensabgabe von fünf Prozent, das sind zusammen zehn Prozent, und dann die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer. (…) Diese zehn Jahre zusammen, das sind um die 100 Milliarden Euro. Damit lässt sich manches Loch stopfen. Aber wir beziffern es als Vermögensabgabe und nicht Steuer. Steuer bedeutet ja, es kommt in den großen Topf und kann dann irgendwie umverteilt werden. Abgabe kann zielgerichtet sein und wir denken, dass insbesondere dieser große Batzen erst mal in Bildung, Gesundheit und Umwelt fließen soll. Das verbessert wirklich sehr stark die Chancengleichheit und Voraussetzungen, sich zu entwickeln, und schafft Arbeitsplätze und, denke ich, stellt eine ziemliche Verbesserung dar. Ein solches Konjunkturprogramm, möchte ich mal sagen, was man mit diesen 100 Milliarden anpacken würde, das haben wir mal befragen lassen. Wir haben mal eine kleine Emnid-Umfrage machen lassen, repräsentativ, aber natürlich nicht so sehr groß. 75 Prozent der deutschen Bevölkerung befürworten diese Abgabe.