“Gegenwärtig ist der Staat ein teurer Schwächling, der sich immer mehr Einfluss anmaßt. Mir scheint, dass die Bürokratisierung eine der Hauptgefährdungen der Freiheit ist.” Christian Lindner. Generalsekretär der FDP. Im Tagesspiegel. Wie war das eigentlich noch, 2007 und danach, als die ach so freien Marktkräfte fast verzweifelt nach dem Staat riefen? Wie war das eigentlich, 2007 und danach, als Finanzwirtschaft und Banken nur mit Hilfe des Staates und der Steuerzahler aus der von ihnen selbst verursachten Not geraten konnten? Schneller zudem als all jene, die die Zeche zahlen und zahlen werden, der Staat nämlich und seine Bürger. Wie war das eigentlich noch 2008 und danach, als Bürokratie, Verwaltung, Staat Kurzarbeit in bis dahin undenkbarem Maße möglich gemacht hatten, um massenhafte Arbeitslosigkeit infolge der Finanzkrise zu vermeiden? Wir sind der Staat. Die Bürger sind der Staat. Das ganze Gerede vom Gegensatzpaar Staat und freie Bürger ist billige Ideologie. Wir Bürger brauchen unseren Staat. Wer sonst soll Bildung, soziale Gerechtigkeit, innere und äußere Sicherheit gewährleisten, wer kann Ordnung im Gemeinwesen schaffen, wer Regeln aufstellen für ein gedeihliches Zusammenleben der Bürger? Der Markt? Wir brauchen einen starken Staat, eine gute Verwaltung, weil der Markt eben blind ist. Mindestens auf einem Auge. Nur mal zur Illustration: “Die deutsche Staatsquote liegt mit 43,8 Prozent so niedrig wie seit 30 Jahren nicht mehr und damit international im OECD-Durchschnitt. Der Anteil der Beschäftigten im öffentlichen Dienst beträgt in Deutschland ca. 13,4 Prozent, in Großbritannien sind es 14,1 Prozent und in Frankreich 16,7 Prozent. Selbst in den USA arbeiten mit 15,4 Prozent aller Beschäftigten mehr Beschäftigte beim Staat als in Deutschland.” (zitiert nach Nachdenkseiten.de) Bürokratie ist Verwaltung. Staatliche Verwaltung in unserem Kontext. Nach Max Weber ist sie die rationale Form der „legalen Herrschaft“. Bürokratie, staatliche Verwaltung, handelt entlang einem System von Gesetzen, Vorschriften, Verordnungen und Anweisungen. Gesetze, Vorschriften, Verordnungen erlassen die Parlamente, die Politiker. Wer dem Staat Bürokratisierung unterstellt, also überbordende Gesetze und Vorschriften, wer zunehmende Bürokratisierung kritisiert und eindämmen will, der darf nicht nur reden. Alle Parteien, die FDP eben auch, sind es, die in den Parlamenten eben jene Gesetze schaffen, Verordnungen, Vorschriften, die sie hernach kritisieren. Die Bürger verabschieden keine Gesetze und erlassen keine Verordnungen. Die Bürokratie kann nur so gut sein wie die von Politikern verbschiedeten Gesetze. Bürokratie, Verwaltung ist erforderlich. Bürokratisierung, überbordende Bürokratie, ist ein Ärgerniß. Aber keine Gefährung der Freiheit. Die Freiheit wird eher gefährdet durch weniger Regulierung, weniger Staatlichkeit, weniger demokratisch hergestellte Ordnung, wenn die Starken sich ungehindert an den Schwachen vergreifen können, im Land wie auf dem ganzen Globus.
Gut geschrieben. Diese zwei Sätze zeigen eben mal wieder 1. welchen unglaublichen Stuß Politiker von sich geben (und ich verallgemeinere hier ganz bewußt) und 2. welche Intelligenz dieselben Politikern ihren Zuhörern unterstellen.
Bürokratisierung in einem Satz mit Freiheit zu nennen, Dummschwafel par excellence.
Zum Schwächling wird der Staat nur dadurch, das sich eine bestimmte Klasse von Menschen über die aufgestellten Regeln hinwegsetzt und dieses Verhalten nicht sanktioniert wird. Sondern belohnt. Oder wir ändern die Regeln…
Mit freundlichem Gruß
-EDV-Schrauber-