Roswitha Müller-Piepenkötter mal wieder. Jetzt hat die Justizministerin in NRW eine Prüfung aller 36 Gefängnisse im Land angeordnet. Denn: Immer mal wieder brechen aus nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalten Häftlinge aus, immer mal wieder ist von Foltervorwürfen in den Gefängnissen zu lesen, aktuell handelt es sich um das Jugendgefängnis Herford. Heute sind jedenfalls die Ausbrecher aus Münster in Essen gefaßt worden. Die Justizverwaltung im Land ist in Unordnung. Und: Politisch verantwortlich ist die Justizministerin. Ich zitiere jetzt zum vierten mal aus dem “Leitbild des Justizministeriums NRW”: “Wir sind uns unserer Vorbildfunktion bewusst (…) Wir sind einsatzbereit und übernehmen Verantwortung.” Das will ich doch hoffen. Die Schuhe ihrer Vorgänger, unter anderem von Gustav Heinemann, Rudolf Amelunxen, Friedrich Vogel, Diether Posser, Fritz Behrens oder Jochen Dieckmann, sind einfach eine Nummer zu groß für die Remscheider CDU-Vorsitzende.
Tag: 27. Januar 2010
Jennifer
Jennifer ist im Anmarsch. Wikipedia schreibt, Jennifer sei die kornische Version des walisischen Namens Gwenhwyfar. Der Name setze sich zusammen aus den Wörtern: gwen = weiß, schön und hwyfar = glatt, weich, bedeute also schönes Gesicht, weiße Wange. In unserem Fall trifft weiß und glatt zu: Das Tief “Jennifer” bringt uns im Moment weißen Schnee und sorgt für glatte Straßen. Irgendwie habe ich es leid.
Nachtrag: Kornisch war eine dem Walisischen und Bretonischen verwandte keltische Sprache, die bis ins 18. Jahrhundert hinein in Cornwall, im Südwesten Englands gesprochen wurde. Und zweitens: Lali heißt das das Tief, das uns heute heimsucht und leider noch mehr Schnee ins bergische Land schaufelt, als das Jennifer vor Tagen schon getan hat.
“Speerspitze der Entsolididarisierung”
Michael Spreng, Journalist (Welt am Sonntag, Welt, Bild am Sonntag, Bild, Express, Hamburger Abendblatt), Wahlkampfmanager von Edmund Stoiber bei dessen Kanzlerkandidatur und Berater von Jürgen Rüttgers bei dessen letztem Landtagswahlkampf, schrieb gestern in seinem Blog “Sprengsatz”:
FDP – die Sternschnuppen-Partei
Die FDP hat es selbst vielleicht noch nicht gemerkt, aber sie ist nur vier Monate nach ihrem größten Triumph in eine ihrer schwersten Krisen geraten. Jahrelang hat sie versucht, das Stigma loszuwerden, das sie sich selbst zugefügt hatte, nämlich die “Partei der Besserverdienenden” zu sein, jetzt ist es brutaler und stärker denn je wieder aufgebrochen. “Mövenpick-Partei”, “Bimbes-Republik” – das sitzt, das beschädigt die FDP nachhaltig in ihrer Integrität, in ihrem Kern. Ihre skrupellose Klientelpolitik, von den Steuerberatern über die Apotheker bis zur Hotel- und Versicherungswirtschaft, lässt ihren Wahltriumph zu einer Episode der Parteigeschichte werden. Sie war die Sternschnuppen-Partei des Jahres 2009, deren Traumergebnis schnell wieder verglüht ist. Die FDP bedient konsequent ihre Stammklientel (und ihre Spender), verliert aber wieder ihre hinzugewonnenen Wähler. Diejenigen Wähler, die sie von einer kleinen zur mittelgroßen Partrei gemacht haben, weil sie auf keinen Fall wieder eine große Koalition wollten, weil sie Angst hatten, die CDU werde immer sozialdemokratischer und verliere den Mittelstand aus den Augen. Das waren durchaus auch Wähler, die nicht nur an sich, sondern auch ans Ganze denken. Diese hätte die FDP langfristig an sich binden können – durch gesellschaftlich verantwortliche Politik. Aber sie tut das Gegenteil und deshalb ist die FDP wieder auf dem absteigenden Ast. Und niemand ist schuld daran außer der FDP selbst. Es fing nach der Wahl damit an, dass die FDP ihre Kernkompetenz zerstörte, die Finanz- und Steuerkompetenz. Sie verzichtete zur Verblüffung ihrer Wähler auf das Finanzministerium, machte stattdessen einen pfälzischen Babbeler zum Wirtschaftsminister. Sie setzte neue Steuersubventionen durch, obwohl sie deren Abbau noch im Wahlkampf verlangt hatte. Sie sparte nicht, wie versprochen, parlamentarische Staatsekretäre ein, sondern berief neue. Sie machte einen Mann zum Chef eines Ministeriums, der dessen Abschaffung noch wenige Wochen zuvor verlangt hatte. Sie schützte Apotheker, pamperte Steuerberater, besorgte die Geschäfte der Versicherungswirtschaft und legte sich mit den Hoteliers ins Bett – mit dem bösen Anschein der Bezahlung. Und die FDP beharrt völlig realitätsfremd auf 20 Milliarden Steuersenkung – nach dem Motto: Jetzt sind endlich unsere Leute dran. Die FDP ist damit heute (neben Roland Koch) die Speerspitze der Entsolididarisierung in Deutschland. Mit dieser Politik kann eine Partei über fünf Prozent kommen, aber nie mehr auf 14,6 Prozent. Auch Mittelständler wissen, wenn sie verantwortungsbewusst und nachhaltig denken, dass man kein Geld ausgeben kann, das man nicht hat, und dass ein Spitzensteuersatz von 35 Prozent die Gesellschaft zerreissen und zu sozialen Unruhen führen würde. Die CDU muss aufpassen, dass sie vom FDP-Bazillus nicht infiziert wird. Und es gibt in der FDP auch keinen, der diesen Kurs wieder ändern könnte. Guido Westerwelle ist noch so siegestrunken, dass er die Krise gar nicht mitbekommt, der einst vielversprechende Philipp Rösler hat sich voll in den Fallstricken der Gesundheitswirtschaft verfangen, Frau Leutheusser-Schnarrenberger ist nur ein Schatten ihres früheren Selbst, Rainer Brüderles TV-Auftritte sind eine sprachliche und inhaltliche Bildschirmverschmutzung. Der FDP schlug schon oft in ihrer Geschichte das Sterbeglöcklein. Dazu wird es so schnell nicht wieder kommen. Wenn sie aber so weiter macht, dann wird sie es wieder ganz leise von ferne hören.
Hätten das Gabriel oder Lafontaine, Gysi oder Trittin, Kaesmann oder Geisler besser formulieren können? Danke, Herr Spreng.