“Wir sind mit 11 Abgeordneten im Parlament. Wir sprechen für die Mehrheit der Menschen in Nordrhein-Westfalen.” Der STERN zitiert diesen “grotesken” Satz des Sprechers der Linken in NRW, Wolfgang Zimmermann. Auch für die Linken: Beinahe bilden jene Menschen die Mehrheit im Land, die nicht gewählt haben. Gemeinsam mit denen, die mit zusammengebissenen Zähnen irgendeine der Parteien gewählt haben, sich aber nicht wirklich vertreten fühlen, dürften sie bei weitem die Mehrheit der Menschen in Nordrhein-Westfalen stellen. Und nur noch einmal zu Erinnerung: Gemessen an allen Wahlberechtigten im Land repräsentieren die elf Abgeordneten der Linken lediglich 3,3 Prozent der Bürger, als 46,8% weniger als die Mehrheit. Der Satz Wolfgang Zimmermanns richtet sich nur gegen seinen Sprecher. Wie oft habe ich die Phrase von der “staatspolitischen Verantwortung” in den Tagen seit der Landtagswahl hören oder lesen müssen. Nun hat sich mit der Partei der Linken nach der FDP die zweite Partei aus der Verantwortung für das Gemeinwohl gestohlen. Die eine, weil man mit der Linken nicht einmal sprechen dürfe, obwohl deren Abgeordneten wie alle anderen auch zuvörderst den Menschen im Land und ihrem Wohl verpflichtet sind. Und nicht in erster Linie der eigenen Partei. Auch für die FDP noch einmal die wahren Zahlen: 3,9 Prozent aller Wahlberechtigten haben die FDP gewählt. Und die Abgeordneten der zweiten Partei haben sich verkrümelt, weil sie nicht imstande waren, eine Erklärung zu unterschreiben, der der Landesverband der Linken in Thüringen im Jahr 2009 zustimmen konnte. Zwar bin ich, wie viele andere auch, durchaus der Meinung, daß Kern der Politik in und für Nordrhein-Westfalen vor allem Bildungspolitik, Forschung, Hochschule, Arbeitsplätze und Sicherung der Kommunalfinanzen sind und nicht die Aufarbeitung der DDR-Geschichte. Genau deswegen kann ich andererseits nicht verstehen, warum sich die Linken so schwer damit tun, die vorgelegte Erklärung ebenfalls zu unterzeichnen. Wer schon über diese Hürde nicht springt und damit dem Verdacht mangelnder politischer Verantwortung und Identifikation mit dem eigenen Land nicht entgeht, der wird Landespolitik in Nordrhein-Westfalen in Zeiten von Finanz- und Eurokrise sowie klammen Kassen nur als Ansammlung lauter unüberwindbarer Barrieren begreifen können. Ich hätte gegen eine rot-rot-grüne Koalition an sich wenig einzuwenden gehabt. Vor allem nicht nach dem demokratiepolitischen Desaster mit der FDP. Wenn die Abgeordneten der Linken indes nicht kalt und professionell mit Hürden umzugehen verstehen, die eigens für sie entwickelt worden sind, was sie ja wußten und wissen, dürften sie mit den Problemen des Landes und seinen gewaltigeren Hürden auch kaum fertig werden. Also, leider: nicht-regierungsfähig. Kurzum: FDP und Linke haben sich selbst aus dem Kreis verantwortungsvoll handelnder Parteien herausgekegelt. Was bleibt? Die große Koalition. Mit Verlaub, auch an diese Möglichkeit will ich nicht so recht glauben. Macht es wirklich Sinn, einer abgewirtschafteten CDU erneut in den Sattel zu helfen? Einer CDU, die vor allem nach der Wahl weiter an Ansehen und Reputation in Bevölkerung verliert. Einer CDU, die nicht führt, sondern taumelt. Einer CDU, die eben kein klares Wirtschaftskonzept hat und sich kaum aus den Fängen neoliberaler Ideologen zu befreien weiß. Einer CDU, die allenfalls als Haderschmiede erfolgreich ist. Was bleibt? Neuwahlen. Man wird nicht so lange wählen können, bis der politischen Elite das Wahlergebnis einigermaßen in den Kram paßt. Und: Ich befürchte, daß die Parteienverdrossenheit weiter zunehmen wird und sich noch weniger Menschen an die Urne bitten lassen werden. Andererseits: Nunmehr weiß man, welche Spielchen einige der Parteien betreiben, die am Scherbenhaufen der Regierungsbildung beteiligt waren, die FDP vor allem. Womöglich hätten wir nach Neuwahlen ja kein Fünf-Fraktionen-Parlament mehr, wer weiß das schon? Nach dem heute veröffentlichten Politibarometer der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF jedenfalls fällt die FDP schon mal auf ein Stimmungstief von drei Prozent. Schwarz-gelb käme demnach, wären am kommenden Sonntag Bundestagswahlen, nur noch auf 42 Prozent. Die Mehrheit im Parlament stellten demnach SPD, Grüne und Linke. “Ein gutes Ding ausgekostet zu haben und nicht die Hoffnung zu hegen, ein noch besseres zu finden, das ist unvernünftig.” (Henry de Montherlant)
Nein, nein, die “selbstgerechte Siegermentalitätsattitüde” ist ja nur die eine Hälfte der Wahrheit. Die andere ist, daß ohne dümmliche Äußerungen linker NRW-Landtagsabgeordneter abstruse DDR-Distanzierungsforderungen nicht hätten zum Thema von Sondierungsgesprächen werden können. Eine Partei, deren Spitzenkandidatin bei Sondierungsgesprächen kein Wort sagt, ist nicht regierungswillig und schon gar nicht regierungsfähig. Die NRW-Linke will Opposition sein und flüchtet vor dem Mandat ihrer Wähler. Regierung und Opposition zur gleichen Zeit geht eben nicht.
“nicht kalt und professionell mit Hürden umzugehen verstehen, die eigens für sie entwickelt worden sind, was sie ja wußten und wissen, dürften sie mit den Problemen des Landes und seinen gewaltigeren Hürden auch kaum fertig werden”
Was haben erwünschte bzw. erzwungene Lippenbekenntnisse mit politischer Verantwortung zu tun? Die selbstgerechte Siegermentalitätsattitüde finde ich nur noch zum Gähnen, wenn nicht zum K…
Warum “kalt und professionell” einem desaströsen Politikbetrieb huldigen? Dann doch lieber das Eingeständnis der Nichtregierungfähigkeit. Sind ja auch noch etwas unbedarft ( die Sache mit der Mehrheit) und eben mal mehr, mal weniger peinlich, ernsthaft, klug wie andere Berufspolitiker der etablierten Parteien auch. Und genauso sollten sie beurteilt werden. Die DDR ist Geschichte, aus und vorbei. Der kalte Krieg leider noch immer nicht