Tag: 5. September 2010

Bauchschmerzen am Kopfschmerztag

Der Sarrazin. Michael Schöfer schrieb heute: “Man muss kein Anhänger der kruden Thesen Thilo Sarrazins sein, um bei seiner Entlassung als Bundesbanker und seinem Ausschluss aus der SPD politische Bauchschmerzen zu bekommen.” Ich gestehe: Ich habe auch solche Bauchschmerzen. Nicht wegen des Herrn Sarrazin, das habe ich hier schon deutlich gemacht. Vor Jahren drohte in unserem Land dem Briefträger, dem Lehrer oder dem Lokomotivführer ein Berufsverbot, wenn der Briefträger, Lehrer oder Lokomotivführer Mitglied der DKP war oder sich ansonsten nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung befand, was wiederum vor allem der Verfassungsschutz zu Tage zu befördern hatte. Auf dem Boden der FDGO, der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, befand man sich nicht nur nicht mehr als Kommunist, sondern sogar dann schon, wenn man nur Kontakte zu radikalen politischen Gruppen hatte, auch, wenn diese nicht verboten waren, sondern nur radikale Kritik übten. Die FDGO ist heute ein wenig aus der Mode gekommen, die Republik erwachsener geworden. Seinerzeit habe ich und haben mit mir viele, und weiß Gott nicht nur Kommunisten, gegen die unglückselige Radikalenerlaßpolitik protestiert und ihr die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit entgegengehalten. Solange jemand seinen beruflichen Pflichten nachkommt und sich nichts Ungesetzliches zu Schulden kommen läßt, solange sind seine Meinungsäußerungen vom Grundgesetz gedeckt. Und auch der größte Blödsinn und Unfug genießt zunächst einmal den Schutz des Artikels 5 des Grundgesetzes:  “Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.” Die Grenzen der Meinungsfreiheit zieht das Strafrecht. Michael Schöfer in seinem Blog: “Natürlich fallen Beleidigungen, der Aufruf zu Straftaten oder etwa Volksverhetzung nicht unter die Meinungsfreiheit. Und das ist gut so. Aber ist die so provokante wie wissenschaftlich unhaltbare These Sarrazins, muslimische Migranten hätten genetisch bedingt eine niedrigere Intelligenz, strafbar? Sie ist dumm und verletzend, doch einen Verstoß gegen die Meinungsfreiheit sehe ich darin nicht. Wie gesagt, das Grundgesetz schützt selbst die Verbreitung kompletten Unsinns.” Insoweit bleibe ich bei meiner Position, daß eine Entlassung Sarrazins aus dem Bundesbankvorstand oder auch aus der SPD nicht einem entwickelten Verfassungsverständniss entspricht. Noch einmal Michael Schöfer: “Ich bin deshalb der Ansicht, dass die Entlassung Sarrazins falsch und verfassungswidrig ist. Der Grad der Entrüstung über seine provokanten Thesen darf doch, solange diese nicht strafbar sind, kein Maßstab für dessen Verbleib auf dem Arbeitsplatz sein. Wäre das so, müssten wir uns im Grunde alle an der Meinung der Stammtische ausrichten. Das entspräche aber weder dem Geist der Demokratie noch dem der Verfassung. Ob Sarrazins Ansichten wirklich von der Mehrheit der Bevölkerung geteilt werden oder nicht, sei dahingestellt und ist in diesem Zusammenhang vollkommen irrelevant. Grundrechte gelten für alle. Ein Prinzip, das ich auch in anderen Fällen hochhalte. Es wird extrem gefährlich, sobald man mit der Bestrafung von Meinungsäußerungen anfängt. Am Ende besteht nämlich die Gefahr, in einem Staat aufzuwachen, in dem die Meinungsfreiheit auf dem Altar der Political Correctness geopfert wurde.” Das Wesen der Demokratie besteht im Rechtsstaat, der Meinungs- und der Versammlungsfreiheit. Ich darf gegen die Regierung, gegen die Regierungen sein und dies auch öffentlich äußern. Ich darf mich gegen eine Mehrheitsmeinung stellen. Ich darf für meine Minderheitsmeinung eintreten und mich mit Gleichgesinnten für ihre Verbreitung öffentlich versammeln. Ich darf Parteien kritisieren und staatliche Einrichtungen, Parlamente, Ämter, Behörden, Regierung,  Amtsinhaber, Wissenschaft und Wissenschaftler. Das alles ist vom Grundgesetz gedeckt. “Unser Grundgesetz schützt demzufolge im Wesentlichen die Minderheitsmeinung, und zwar vor dem Unmut und den Angriffen der Mehrheit. Das gilt, unabhängig davon, ob Sarrazin nun eine Mehrheits- oder Minderheitsmeinung vertritt, prinzipiell auch für ihn”, schreibt Michael Schöfer.  “Falls Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen.” (George Orwell)

DENGI WSATY

Dengi Wsaty, in kyrillischen Buchstaben, zierte die Vorderseite, eine vereinfachte Abbildung von Nase, Schnurr- und Kinnbart die Rückseite der Bartmünze, die vom 5. September 1698 an in Rußland gekauft werden mußte, wenn ein Bartträger seinen Gesichtshaarschmuck behalten wollte. Der Zar Peter der Große wollte sein großes Reich bartfrei machen und bat deshalb alle mit wallendem Vollbart zur Kasse. Von der Rasur freikaufen konnten sich wohlhabende Kaufleute mit 100 Rubel, Höflinge und Beamte mußten 60 Rubel auf den Zarentisch legen und normale Städter 30. Der Zar wollte unter dem Eindruck einer Reise ins westliche Europa sein Riesenreich modernisieren und verfügte aus diesem Grund sein Bart-Ab-Dekret. Erst 74 Jahre später hob die Zarin Katharina II. das Bartedikt auf. Rußland war aber keineswegs das einzige Land, das sich dieser skurilen Steuer bediente. In China erhob der Ming-Kaiser Taizu eine extrem hohe Bartsteuer, im kleinen indischen Fürstentum Radschipur wurde das Tragen eines Bartes bei nichtheiligen Personen mit einer hohen Geldstrafe belegt und im Frankreich des 16. Jahrhunderts erhob König Karl I. eine Abgabe auf die Bärte kirchlicher Würdenträger, so daß der hohe Klerus den Bart behielt und die Abgabe zahlte, der niedere Klerus indes rasiert predigen mußte. Wolfgang Thierse muß sich heutzutage keine Sorgen um die Wiedereinführung einer Bartsteuer machen, auch wenn die Regierung klamm sein sollte. So abwegig indes ist eine Bartsteuer gar nicht, wie man auf den ersten Blick annehmen könnte. Die Dachsteuer wurde in Österreich erhoben, auf die Größe der Dachfläche. Die Fenstersteuer wurde in Frankreich und Großbrittanien kassiert, die Jungfernsteuer in Preußen. Richtig. Die unvermählten Mädchen waren zahlungspflichtig. Eine Katzensteuer gab es 1894 in Emmerzhausen. Die Leuchtmittelsteuer auf Glühbirnen wurde in verschiedenen europäischen Ländern erhoben, zuvor war Verbrauch von Kerzenwachs steuerpflichtig. Bis zur Besteuerung von Brennstäben ist der Weg also nicht so weit. Es gab schon die Perückensteuer, eine Papiersteuer in England, eine Salzsteuer, eine Steuer auf Spatzen, auf Speiseeis und Spielkarten, auf Tee oder Zucker oder Zündhölzer. Der Staat besteuert, was er kann, sofern es nur genug einträgt – und durchsetzbar zu sein scheint.

Kopping

Heute ist der deutsche Kopfschmerztag. Der wird alljährlich am 5. September begangen. Mit Kopfschmerzen? Ausgerufen wurde er von Ärzten, Schmerzforschern sowie Selbsthilfegruppen und soll auf die unterschätzte Krankheit aufmerksam machen. Denn Kopfschmerzen gehören zu den häufigsten gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Bis zu 5 % der deutschen Bevölkerung leiden unter täglichen und mehr als zwei Drittel unter anfallsweisen oder chronischen Kopfschmerzen. Hinzu kommen die Kopfschmerzen, die einem die illegale Landesregierung in Schleswig-Holstein bereiten könnte, das sogenannte “Spar”-Paket der Bundesregierung, der Medienhype um Thilo Sarrazin, die FDP um Herrn Westerwelle, Andrea Nahles, der 1. FC Köln, Schwarz-Gelb, das Wetter, die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, Benedikt XVI., die belgische Regierung, Hedgefonds, Roland Koch, Gerhard Papke, Alice Schwarzer, die Deutsche Telekom und so vieles andere mehr. Mit Aspirin ist das alles nicht zu regeln. Ach, für den Nichtkölner: Kopping heißt Kopfschmerz.

Nachtrag: Von den vielen Kopfschmerzverursachern habe ich jedenfalls vergessen namentlich zu erwähnen das Fernsehprogramm in Gänze, das Fernsehprogramm der öffentlich-rechtlichen Anstalten, den SV 09/35 Wermelskirchen, 3-D-Fernseher, die Bahn und ihre Klimaanlagen, WDR 4, Frau Holle, alle Call-Center, Telefoncomputer, die Talkshow-Hosts, Peter Hahne, Arnulf Baring und Prof. Sinn. Ich weiß, eigentlich wäre die Liste wesentlich länger. Mache sich doch jeder seine eigene Liste. Oder ich trage hier weiter nach.