75 Flaschen Wein zum Gesamtpreis von 6400 Euro ließ die Landesvertretung NRW in Berlin öffnen, nachdem die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und FDP im vergangenen Jahr abgeschlossen waren. Bis zu 94 Euro kostete die einzelne Flasche Wein zum Fest der schwarz-gelben Koalitionäre. “Ich kenne die Weise, ich kenne den Text, ich kenn’ auch die Herren Verfasser, ich weiß, sie tranken heimlich Wein und predigten öffentlich Wasser.” Treffender als Heinrich Heine kann man diesen Vorgang nicht kommentieren. Die Koalition, deren “Sparpaket” vor allem zu Lasten der ärmeren Bevölkerungsschichten geschnürt worden ist, die Hartz IV-Empfängern noch das Nötigste nimmt, aber den Wohlhabenden über die Maßen gibt, läßt intern die Korken knallen und macht die große Sause. Bürgerliche Koalition? Ach iwo. Bestenfalls ein Haufen schamloser Parteischranzen, die mit der Wirklichkeit des Lebens in diesem Landes nicht das Geringste mehr zu tun haben; eine abgehobene, verdorbene Elite ohne jedweden Anstand, ohne bürgerliche Moral. Eine kleine radikale, eine spätbürgerlich-dekadente Minderheit.
Monat: Dezember 2010
Ene, mene, muh…
Das “Europäische Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung” geht seinem Ende zu. Und das Fazit? Fast jedes fünfte Kind der EU ist arm. Hierzulande, in unserem Bundesland NRW lebt jedes vierte Kind in einer armen Familie. Wie schon im Jahr 2007. Dabei ist Geld durchaus vorhanden in unserer Gesellschaft. Da frage man mal die Bänker der HRE, der Landesbanken, der Commerzbank. Und nur eine wirklich reiche Gesellschaft kann sich einen Krieg am Hindukusch leisten. Oder die mehrwertsteuerliche Sonderbehandlung von Hoteliers. Kinder haben eben keine Lobby. Arme Kinder schon mal gar nicht.
Geistig-politische Wende, mal wieder…
Geistig-politische Wende. Sie erinnern sich? Vor knapp einem Jahr wurde sie, die geistig-politische Wende, ausgerufen. Vom FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle. Das Ergebnis der geistig-politischen Wende? Die neuesten Umfragen bescheren der FDP kurz vor Weihnachten nur noch drei (!) Prozent Zustimmung. Binnen nur eines Jahres hat die ehemals liberale Partei etwa achtzig Prozent ihrer einstigen Wähler verloren. Der Kurs der FDP und ihres Kapitäns hat sich als desaströs erwiesen, als verheerend. Die FDP bangt um den Einzug in die Landtage im kommenden Jahr und um die Wiederwahl in den Bundestag. Die Folge: Es vergeht kein Tag mehr, an dem nicht Rücktrittsforderungen aus der FDP an Guido Westerwelle gerichtet werden. Als ob die FDP nur ein Personalproblem in der Person ihres Vorsitzenden habe. Mit der Abwahl des Vorsitzenden ist das Problem programmatischer Verengung auf nur ein Thema, die Steuersenkung, keineswegs gelöst. Egoistisch, rücksichtslos und inkompetent, das sind nicht nur öffentlich geäußerte Beschreibungen des FDP-Vorsitzenden, mit diesen Adjektiven läßt sich der Kurs der ganzen Partei beschreiben. Und: Diese Adjektive stehen auch für das Gesellschaftsbild der FDP. Ob mit oder ohne Westerwelle: Ohne tiefgreifende Änderungen im Kurs der Partei, ihrer Programmatik, wird das nichts mehr mit der FDP. Das Land und seine Bürger brauchen eine liberale Partei. Aber keineswegs die derzeitige FDP.
Hallelujah
Wahllos
Stefan Mappus (CDU) ist Ministerpräsident. Horst Seehofer (CSU) ebenfalls. Und auch Christoph Ahlhaus (CDU). Volker Bouffier (CDU) ist Ministerpräsident. Wie David McAllister (CDU). Und Christine Lieberknecht (CDU) ist Ministerpräsidentin. Sie alle aber wurden nicht vom Volk gewählt. Ins Amt geraten sind sie allesamt, weil sich ihre Vorgänger mehr oder weniger freiwillig aus der Politik zurückgezogen haben.
Unrechtsstaat
Rechtsstaat? Hunderttausende, bis zu achthunderttausend Kinder wurden in den ersten Jahrzehnten der Republik in Kinderheimen, in staatlichen oder kirchlichen Erziehungseinrichtungen kujoniert, gestraft, körperlich und seelisch mißhandelt, ausgebeutet, mißbraucht. Sie mußten harte Kinderarbeit leisten. Unentgeltlich. Ohne jeden Lohn, ohne jeden Rentenanspruch. Und: Ohne jede Zuneigung, ohne Liebe, nicht einmal angemessene Zuwendung. Keine Fürsorge von denen, die zur Fürsorge verpflichtet waren und sind. Ob in Soutane, Priesterrock, Nonnenornat oder ziviler Kleidung: Keine menschliche Regung den anbefohlenen Kindern gegenüber. Stattdessen entwürdigende Strafen, Prügel, Mißbrauch, Gewalt. Das alles flächendeckend. Rechtsstaat? Da kann der “runde Tisch” beschließen, was er mag: Die Schmach, daß im vermeintlichen Rechtsstaat Bundesrepublik staatliche und kirchliche Institutionen, Fürsorger, Pädagogen, Priester, Nonnen, Erzieher sich schändlich an Kindern vergangen haben, kann nicht getilgt werden. Niemals.
Beamter im gehobenen Dienst
Unter der Überschrift “Ev’ry Monday is a Blue(s) Monday” schrieb Jörg Kantel in seinem Blog Schockwellenreiter: “Wenn man irgendwo in Europa den Blues bekommen kann, dann in Norwegen, wo es im hohen Norden des Winters schon am frühen Morgen wieder abend ist. Das beweisen der Norweger Vidar Busk an der Gitarre und sein Kompagnon Eirik Bergene (Mundharmonika, Gesang) mit In the Evening. Den Namen des Schlagzeugers, der wie ein Beamter im gehobenen Dienst aussieht, hat mein niederländischer Blues-Gewährsmann leider nicht herausbekommen. Aufgenommen wurde das Video während einer Tour durch Russland im Jahre 2005. Habt Spaß! Es sind 10 Minuten Blues vom Feinsten …”
Tranchieren
Als Tranchieren bezeichnet man das kunstgerechte Zerlegen von Geflügel, Fleisch oder Fisch. Das Tranchieren gehört seit jeher zum Bereich der Kultur, der Eßkultur. Fachgerechtes Tranchieren setzt gehöriges Wissen um die Anatomie des zu Zerlegenden voraus sowie den gekonnten Umgang mit dem Tranchierwerkzeug. Derzeit tranchiert sich die FDP selbst. Wolfgang Kubicki, blau-gelber Landeshäuptling in Schleswig-Holstein, operiert öffentlich die personellen Defizite der FDP hervor, die mangelhafte Kommunikation und die Ziellosigkeit der Partei, den Seriositätsverlust durch den Empörungspolitiker Westerwelle, die Bedeutungslosigkeit der Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Birgit Homburger. Die Partei hingegen tranchiert munter mit. Birgit Homburger bezeichnet den Kritiker als “Nörgler und Selbstdarsteller”. Generalsekretär Lindner mault, “mit ätzender Kritik” könne man keine Probleme der FDP lösen, andere FDP-Granden konstatieren gereizt eine gewisse “Ungeduld an der Parteibasis”. Die “Maulwurfaffaire” um den Büroleiter von Westerwelle trägt zudem nicht eben zur Beruhigung der Partei bei. Wir alle werden Zeugen eines kunstgerechten Zerlegungsvorgangs, einer Parteitranchierung.
Offener Brief an Lisa Zajons
Liebe Frau Zajons,
Sie haben, wie man der lokalen Presse entnehmen konnte, mehr als 7000 Unterschriften in Wermelskirchen gesammelt für den Verbleib der Polizeiwache in Wermelskirchen. Ich weiß nicht, ob Ihnen jemand, und wenn ja, wer Ihnen bei dieser Aktion geholfen hat. Jedenfalls wird in der lokalen Presse vor allem Ihr Name genannt. Zudem ist bekannt, dass Sie Mitglied der FDP bzw. ihrer Jugendorganisation sind. Mich verbindet mit der FDP nicht wirklich viel. Im Gegenteil: Ich übe seit Jahren heftige Kritik an Politik und Personal Ihrer Partei. Und: Ich glaube nicht, dass es am Ende für die Sicherheit der Bürger in unserer Stadt wirklich entscheidend sein wird, wo genau sich die Polizeiwache befindet. Aber ich bin, vermutlich wie Sie, der Meinung, dass die geplante Verlegung der Polizeiwache Unsicherheiten, womöglich sogar Ängste bei vielen Bürgern bewirkt. Insofern hätte ich eine frühzeitige Initiative, eine rechtzeitige Kommunikation der lokalen Politiker und Parteien mit den Bürgern, eine breite Debatte der Parteien mit den Menschen in der Stadt, außerhalb von Rat oder Verwaltung, für richtig und sinnvoll gehalten. Ich bin seit etwa einem Jahr Gastmitglied der SPD. In meiner Partei habe ich schon vor Monaten dafür plädiert, indes keine Mehrheit organisieren können. Man mag Kritik üben an der Formulierung Ihrer Unterschriftenliste. Man muß nicht einverstanden sein mit dem Ziel Ihrer Aktion. Und man muß keineswegs einverstanden sein mit den Zielen und Aktivitäten Ihrer Partei. Aber ich halte Ihre Unterschriftenaktion für beispielgebend. Wenn sich Menschen, junge Menschen zumal, einmischen in politische Vorgänge, wenn sie Partei ergreifen, wenn sie sich aktivierend betätigen, wenn sie sich nicht an Vorgaben von Verwaltung oder Parteien halten, sondern sich ihres eigenen Verstandes bedienen, wenn sie dann noch, wie Sie, ungewöhnlich erfolgreich sind, hat doch nahezu ein Fünftel der Bürgerschaft Wermelskirchens Ihre Liste unterschrieben, dann scheint mir das vorbildlich zu sein für das Gemeinwesen in Wermelskirchen. Ich halte für das entscheidende Ergebnis Ihrer Aktivität, dass Sie sich haben nicht unterkriegen lassen von der nahezu einhelligen Lethargie der Parteien und lokalen Politiker, von der Distanz, die Parteien Bürgerinteressen gegenüber mittlerweile haben entstehen lassen. Dafür meine Hochachtung.
Ihr Wolfgang Horn