Monat: Dezember 2010

Von Kragen und Kondomen

Herr, nennen wir ihn A., Herr A. also, unverheiratet und Tourist, hat einvernehmlichen Sex mit Frau W. Und: Herr A. hat zudem Sex, ebenfalls einvernehmlich, mit Frau A. Frau W. und Herr A. verbringen am Tage nach dem Geschlechtsverkehr einen “romantischen” Vormittag. Frau A. organisiert nach ihrem Erlebnis mit Herrn A. sogar eine Party für ihren neuen Bekannten und bittet per Message ihre Freunde, ihr beim Organisieren zu helfen. All das ist durch SMS, Twittermeldungen und Mails der beiden Damen belegt. Beiden war es wichtig, ihren Freunden – auch in den Tagen nach dem Sex – mitzuteilen, dass sie mit dem prominenten Herrn A. in engem und gutem Kontakt stehen. Nun lernen sich später Frau W. und Frau A. kennen und erfahren voneinander, wie neue Freundinnen eben so miteinander sprechen, daß in beiden Fällen das Kondom des Herrn A. beim Geschlechtsverkehr geplatzt sei. Und jetzt ist es ein Fall für den Staatsanwalt, weil Herr A. offenbar seine Kondome systematisch einritzt. Blödsinn? Nein. So erzählt heute der Tagesspiegel die Geschichte. Bei Herrn A. handelt es sich um Julien Assange, den Chef von Wikileaks. Die beiden Damen konnten mit Ihrer Geschichte bei der Staatsanwaltschaft in Schweden zunächst nicht landen. Die Staatsanwältin Marianne Ny aber nahm sich der Sache erneut an – mit dem Ergebnis, daß Assange in England in Untersuchungshaft sitzt. Der staatsanwaltliche Vorwurf: “minderschwere Vergewaltigung”. Diese beiden Wörtchen muß man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Dann platzt einem, nein, nicht das Kondom, sondern der Kragen. Minderschwere Vergewaltigung bei einvernehmlichem Sex? Wegen zweier geplatzter Kondome? Nach Party und romantischem Vormittag? Da brat mir einer einen Elch. Julien Assange ritzt sich seine Kondome vor Gebrauch? Immer? Frau W. und Frau A. dürften ganz andere Probleme haben, als mit einem solchen Vorwurf an die Staatsanwaltschaft heranzutreten, wenn die Geschichte des Tagesspiegel halbwegs triftig sein sollte.

Nikolaus

Heute ist Nikolaustag, schon wieder. Nein, nein, keine Sorge, keine Nikolausbräuche oder Kritik am Weihnachts- oder Coca-Colamann heute. Lediglich der Hinweis auf die vielfältigen Patronate. Der heilige Nikolaus von Myra ist nicht nur der Patron der Kinder, Schüler, Mädchen, Jungfrauen, Frauen mit Kinderwunsch, Gebärenden und alten Menschen, der Ministranten, Feuerwehr, der Pilger und Reisenden, der Seeleute, Schiffer, Fischer, Flößer, Schiffsbauer, Matrosen oder Fährleute. Er ist auch der Patron der Diebe und Verbrecher, der Kaufleute, Bankiers und Pfandleiher. Und mit denen dürfte er im vergangenen Jahr genug zu tun gehabt haben.

Millionenspiel

Tja, jetzt hat das gespenstische Millionenspiel seine gespenstische Entsprechung gefunden. 1970, vor vierzig Jahren schon, beschrieb das Millionenspiel von Wolfgang Menge, wie sich ein Kandidat über Tage hinweg von einem Killerkommando jagen läßt, um eine Million Mark zu gewinnen. Eine Vorausschau auf die Quotengeilheit des Systems Fernsehen. Vierzig Jahre und einen schweren Unfall während der gestrigen “Wetten, dass… – Sendung” haben Politiker und Fernsehgremien gebraucht, um nun eine “Quotendebatte” anzuregen, wie auf tagesschau.de zu lesen ist. Der ZDF-Verwaltungsratschef und rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck fordere nach dem Unfall eine Quotendebatte im ZDF. Das ZDF als öffentlich-rechtlicher Sender dürfe diesen Fragen nicht ausweichen. “Natürlich müssen wir über die Themen sprechen: Wann werden die Grenzen des Verantwortbaren überschritten? Wie viel Risiko darf man eingehen? Und natürlich müssen wir auch über die Themen Nervenkitzel, Waghalsigkeit und Quote reden.” Zu spät?