Das Volk, der große Lümmel…

Zugegeben: Die finanzielle Lage in der Kommune ist nicht rosig. Rat und Verwaltung müssen alles unternehmen, um nicht in die Hausshaltssicherung zu geraten. Aber rechtfertigt das alleine schon, daß sich die ehrenamtlichen Lokalpolitiker just ebenso verhalten, wie ihnen das die Berufspolitiker vorleben? Beispiel gefällig? Die “Regenbogenkoalition”, also die Parteien, die den Bürgermeister stützen, WNKUWG, Grüne, Büfo und FDP, haben einen gemeinsamen Antrag eingebracht. Das Freibad Dabringhausen soll geschlossen werden und für alle städtischen Turn- und Sportstätten sollen die Vereine Benutzungsgebühren berappen. Die erste naheliegende Frage ist doch, ob die Parteien sich der Mühe unterzogen haben, mit den Vereinen in der Stadt ein Gespräch zu führen, bevor ein solcher Antrag formuliert wird. Natürlich haben sie das nicht getan. Bürgernähe? Braucht man die, solange die nächsten Kommunalwahlen noch derart weit enfernt sind? Offenbar nicht. Viel schlimmer noch: Büfo-Chef Friedel Burghoff sieht im Regenbogenantrag einen “erzieherischen Effekt” für die Vereine und ihre Mitglieder. Zynischer kann man’s kaum formulieren. Die Vereine, die Bürger dieser Stadt, das Volk sind für Provinzpolitiker nur noch große Lümmel, wie Heinrich Heine seinerzeit schrieb, denen man mittels einer Gebührenschraube auf den rechten Weg verhelfen will, so, wie man ihnen weiland die Ohren langzog, wenn sie etwas ausgefressen hatten. Ein anderes Beispiel. In den Lokalzeitungen konnte man von einem Antrag der SPD-Fraktion für die Haushaltsberatungen lesen, in der es um die Höhe der Gewerbesteuer geht. Die Gewerbesteuer ist das wichtigste Finanzierungsinstrument der Kommunen. Und gerade, weil das so ist, sollten sich die Parteien darum bemühen, dem Bürger, allen Bürgern verständlich zu machen, was man fordert und warum man das tut. Aus der Berichterstattung der Lokalzeitungen, beider Zeitungen, ging dies indes nicht hervor. Wie auch? Tatsächlich ist in diesem Antrag nämlich zu lesen, daß “die vom Bürgermeister in der gleichen Sitzung kritisierten Strukturveränderungen des Gemeindefinanzierungsgesetzes durch die Landesregierung (z.B. Veränderung des Soziallastenansatzes) (…) hingegen keinen Einfluss auf den Haushalt von Wermelskirchen” haben, “weil die Stadt abundant ist”.  Alles klar? Die Schullandschaft in Wermelskirchen ändert sich. Die Anmeldezahlen für die Hauptschulen nehmen dramatisch ab. Die PCB-Verseuchung der Realschule macht aus einem latenten Problem ein aktuelles. Schneller als ursprünglich wohl geplant muß über die Schulstruktur in der Stadt nachgedacht und gesprochen werden. Die Partei, in der ich zu Gast bin, die SPD hat sich dieser Frage bislang nicht gestellt. Vielleicht hat die Fraktion dies getan; die Partei aber, ihre Mitglieder hatten bislang keine Gelegenheit, dieses derart wichtige Problem der Kommune zu beraten. Warum auch? Die Fraktion wird es schon richten. Und ich bin ganz sicher, daß es in den anderen Parteien nicht anders zugeht. Irgendwann werden die Mitglieder schon darüber informiert werden, wie  sich und mit welchem Ergebnis die Parteioberen, die Funktionäre, die Vorstände den Kopf zerbrochen haben. Wer jetzt noch Lust und Leidenschaft entwickelt, mitzuspielen, sich einzumischen, Verantwortung zu übernehmen, dem ist vermutlich nicht zu helfen.

4 Kommentare

  1. Michael Lichtenberg

    Liebe Politikerinnen und Politiker, Menschen,die sich für Schule interessieren und allen anderen auch, sei gesagt:

    Augen auf und hinhören, das Volk stimmt seit vielen Jahren mit den Füßen ab. Es fällt nur jetzt besonders auf, da Schülerzahlen sinken. In der BM von heute ist ein großer Artikel, in dem von Hans Peter Meinicke (SPD) die Zahlen genannt werden und er folgerichtig feststellt,dass ein Gymnasium und zwei Hauptschule überflüsig seien. Dafür fehle eine dritte Gesamtschule.
    Aber: Das gegliederte System hat sich bewährt, wir halten daran fest, gellt es durch die Bundesrepublik. PolitierInnen hört die Signale und handelt endlich. Pisa und andere Studien haben es Deutschland doch schon lange ins Stammbuch geschrieben.

  2. Liebe Petra,
    ich wußte ja, als ich es schrieb, daß das Volk wie ein ungezogener Lümmel behandelt wird, im Kleinen wie im Großen, im Bund wie in der Stadt, daß ich eine Mehrheitsmeinung vertrete, in der Partei indes in einer Minderheitenposition bin, wie ich das auch in allen anderen Parteien wäre.
    Wenn man sich an die Öffentlichkeit wendet als Partei, muß das, was man vermitteln will, auch in der Öffentlichkeit verstehbar sein. Womöglich kann man in der Fachöffentlichkeit von Rat oder Ausschuß etwas weniger allgemeinverständlich formulieren. Aber schon das trennt Öffentlichkeit wieder von Rat und Verwaltung. Und den Parteien sollte angesichts ihres schlechten öffentlichen Ansehens, der immer größer werdenden Entfernung zum Bürger durchaus daran gelegen sein, so deutlich und verstehbar zu formulieren, daß die Entfremdung zwischen Bürger und Politik nicht noch weiter verstärkt wird. Und wenn lokale Zeitungen schlecht schreiben, unverstehbar formulieren, dann muß ein Parteivertreter umso sorgsamer reden und schreiben, wenn man sich an eben diese Presse wendet.
    Ja, es wäre gut, wenn mehr Bürger Anteil nähmen auch an kommunaler Politik, wenn sie Ratssitzungen und Ausschüsse besuchten. Aber vielleicht könnte man auch darüber nachdenken, ob nicht Rat und Auschüsse zum Bürger kommen. Übers Internet beispielsweise. Im digitalen Zeitalter technisch keine große Sache mehr, apparativ nicht wirklich schwierig und auch nicht wirklich teuer. Wermelskirchen 21 sozusagen. Die Attraktivität kommunaler Politik ist mehr eine Bring- als eine Holschuld.
    Zum Gaststatus in der Partei und das sich einrichten. Sich einrichten, das kann durchaus mehrerlei bedeuten. Sich wohnlich einrichten, es sich wohlig machen, nett, aber auch sich abfinden, resignieren, etwas nur noch aushalten, ertragen. Und es kann bedeuten, sich vorzubereiten, sich auf etwas einzustellen. Insofern wüsste ich lieber genauer, was Du mit diesem schönen Wörtchen „einrichten“ wirklich meinst. Jedenfalls hat die Partei, in der ich mich in meinem Gaststatus eingerichtet habe, wie Du meinst, die Schullandschaft bislang genau einmal diskutiert, und zwar im Zusammenhang mit der Debatte um den Koalitionsvertrag der Landesregierung. Die konkreten Schulverhältnisse in der Stadt und ihre Entwicklung sind bislang nicht diskutiert worden. Vielleicht im Kreis der Fraktion. Aber die Meinungsbildung, das Ringen um die richtige Position muß doch wohl auch im Kreis der Partei stattfinden. Mehr noch als nur „auch“: vor allem in der Partei, mit den Mitgliedern. Und die aktuelle PCB-Situation ist weit mehr als bloß eine Angelegenheit der Fraktionen. In der Stadt findet eine öffentliche Debatte statt. Schüler, Eltern und Lehrer sind offenkundig verunsichert. Entscheiden muß am Ende der Rat, müssen am Ende die Fraktionen. Debattieren, aufklären, Meinung bilden, Interessen vertreten müssen die Parteien. Ich lese immer wieder, dass die Lokalzeitung, die eine, Schuld am Rumor hat, es aber eigentlich keinen Grund gibt, eine solche Frage öffentlich zu behandeln. Das habe ich im Zusammenhang mit der Polizeistation gelesen oder im Zusammenhang mit der Wegzug eines Kinderarztes aus der Stadt. Wenn es Rumor gibt in der Stadt, Aufregung bei den Menschen, die hier leben, dann muß sich die Politik, also auch die Parteien darum kümmern. Vor allem eine Partei, die das Kümmern auf ihre Fahnen geschrieben hat. Der Ratssaal war am Donnerstag übervoll, als es um die Realschule ging. Die Menschen sind also interessiert, wenn es um ihre Interessen geht. Eine Partei, meine Partei hat dieses Interesse aufzunehmen. Ob man dafür immer eine Mitgliederversammlung braucht, die in der Tat vorbereitet werden muß, bleibt fraglich. Vielleicht wäre ein regelmäßiges, eher informelles Treffen sinnvoll, also eine Art Stammtisch, vielleicht ein elektronischer Newsletter, eine E-Mail-Information an die Mitglieder oder ein internes Rundschreiben – so oder so: es mangelt an Kommunikation in der Partei, mit der Partei.

  3. Also 1.: Gewerbesteuer

    Dass die Zeitungen das nicht richtig erklären können oder wollen, wundert ja nun mal nicht. Auch nicht, dass der Bürgermeister und der Kämmerer so tun, als verstünden sie nur Bahnhof. Passt nicht ins FDP-Bild. Gut: Die SPD-Fraktion muss auch an Formulierungen arbeiten. Gebe ich Dir Recht. Ich meine, ich hätte das ganz gut erklärt (obwohl ich nicht viel Ahnung habe von Finanzpolitik, weil Geld für mich eher eine fiktive Maßeinheit ist) in meinem Blog-Eintrag http://www.petraswelt-online.de/blog/rahmenhandlung/

    Im Übrigen hilft es, sich als interessierter Bürger oder interessierte Bürgerin auch mal in Ausschusssitzungen zu setzen und zuzuhören. Da passieren manchmal aufschlussreiche Sachen in Hinblick auf Kommunikation bzw. gestörte Kommunikation und man bekommt auch einen guten Einblick, was die Akteure wirklich wollen…

    2. Schullandschaft

    Die Partei, in der Du Dich in Deinem Gaststatus auch ein wenig “eingerichtet” hast, wie mir scheint, diskutiert schon lange die Schullandschaft (siehe Koalitionsvertrag der Rot/Grünen-NRW-Regierung). Die aktuelle PCB-Situation der Realschule hat mit der “Parteimeinung” hierzu nix zu tun! Hier ist Fraktion, kommunale Entscheidung, gefordert.

    Und – auch hier ist die Situation extrem verflochten. Die Diskussionsgrundlage ändert sich von Tag zu Tag.

    Die Frage der zukünfigen Gestaltung der Schullandschaft in Wermelskirchen hingegen, also das, was die “Partei” angeht, ist davon völlig abgekoppelt und hat auch keine Brisanz (abgesehen von der räumlichen). Dafür müssen Zahlen herangezogen werden, Befindlichkeiten abgewogen etc. Aber der Entwurf der Landesregierung gibt uns ja dafür den Spielraum – das ist ja das Schöne.

    Die Panikmache, dass jetzt schnelle Entscheidungen über die Zusammenlegung von Schulformen getroffen werden müssten und so weiter, existiert im Wesentlichen nur auf dem Papier einer Lokalzeitung.

    Und: Auch Mitgliederversammlungen müssen vorbereitet werden, damit sie sachlich fundierte Informationen liefern können und nicht in bloße Laberei ausarten…

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