Nun also große Koalition in Bremen. Die beiden großen Parteien werden wohl weiter regieren, SPD und Grüne. Die CDU verliert, mal wieder, und liegt damit im Jahrestrend. Neu ist nur, daß die Christdemokraten nunmehr weniger Wähler mobilisieren konnten als die grüne Konkurrenz und guter Dritter wurden. Der FDP hat das Stühlerücken bei Beibehaltung des kompletten Personals nichts genutzt. Die Bremer Liberalen sind jetzt außerparlamentarische Opposition. Auf dieses Wahlergebnis hätte man, cum grano salis, schon beim Sonntagsfrühstück jede Wette eingehen können. Nichts wirklich Neues also an der Weser. Nicht einmal die Wahlbeteiligung läßt den matten Beobachter von Prognosen und Hochrechnungen munter werden. Sie ist weiter gesunken, auf jetzt gerade einmal vierundfünfzig Prozent. Und das, obwohl doch im hanseatischen Stadtstaat erstmalig sogar die Sechzehnjährigen wählen durften. All der zur Schau gestellten Freude in den Wahlkampfzentralen zum Trotz: Die Entfernung der Parteien von den Menschen, den Wahlbürgern setzt sich fort. Die Grünen durchleben zwar derzeit ihr Allzeithoch, gleichwohl sind auch sie am Prozess der Entfremdung, der Auflösung der Bindungskraft der Parteien beteiligt. Die politische Klasse der Republik steckt in der Krise, in der großen Gefahr, den Kontakt zu den Bürgern zu verlieren, ihre Interessen nicht mehr zu vertreten, lediglich noch als abgehobene Kaste bewertet zu werden. Und das in einer politischen Lage, in der schwierige soziale Probleme gelöst werden müssen: die Trennung in ein reiches Oben der Gesellschaft und ein armes Unten, ein Wirtschaftsaufschwung, der bei der Masse der Bevölkerung nicht ankommt, während Bänker und Finanzdienstleister das Casino längst schon wieder geöffnet haben. Die Parteien verstehen es nicht, die Menschen für das geeinte Europa und den Euro zu begeistern. Die Stammtischparolen der Kanzlerin treiben sie eher in die Fänge von Populisten. In der Zukunftsfrage der Energieversorgung der Gesellschaft taumelt der Kurs der Regierenden zwischen populistischem Aktionismus und zögernder Entscheidungsarmut zugunsten der großen Energiekonzerne. Parteien werden den Menschen fremder. Sie sprechen andere Sprachen. Oft geben sie als Gemeinwohl aus, was lediglich Partikularinteressen dient. Die Bürger merken dies und wenden sich zusehends ab. Desillusioniert. Desinteressiert. Passiviert. „Die Parteien wirken an der Bildung des politischen Willens des Volkes mit”, vermutet das Grundgesetz in Artikel 21, Absatz 1. Immer weniger, fürchte ich.