Am kommenden Montag werden wir ihn wieder feiern, den Tag der Deutschen Einheit. Zum einundzwanzigsten Mal. Heute, nur wenige Tage vor den Fensterreden über die gewachsene Einheit zwischen Ost und West, hat die schwarz-gelbe Mehrheit im deutschen Bundestag eine achte Novelle des Stasiunterlagengesetzes gegen die Oppositionsparteien durchgedrückt. Anlaß: Der neue, der dritte Chef der Bundesbehörde für die Stasiunterlagen, Roland Jahn, möchte fünfundvierzig seiner eintausendsechshundert Mitarbeiter loswerden. Allesamt ehemalige Mitarbeiter der Stasi. Eingestellt worden sind sie Anfang der neunziger Jahre vom ersten Behördenleiter, Joachim Gauck! Mit ihrer Hilfe sollten die komplizierten Register und kilometerlangen Aktenbestände besser erarbeitet und erforscht werden. Andere bekamen einen Job, weil sie als Fahrer oder Wachleute als relativ unbelastet galten. Doch nunmehr, 20 Jahre später, sollen die früheren Stasi-Mitarbeiter nicht mehr in der Bundesbehörde geduldet werden. Ein schwarz-gelbes Gesetz also, das rückwirkend langjährige Mitarbeiter stigmatisiert und diffamiert sowie die Entscheidungen der bisherigen Behördenleiter als Arbeitgeber dieser Mitarbeiter auf den Kopf stellt. Im Alleingang stellen FDP und CDU damit auch rechtsstaatliche Grundsätze auf den Kopf. Ich bin für die Einheit der Deutschen. Aber für eine Einheit, die die Leistungen der ehemaligen DDR-Bürger in den letzten einundzwanzig Jahren deutlich anerkennt. Und wenn sich die ehemaligen Stasimitarbeiter in der Jahn-Behörde nichts haben zuschulden kommen lassen, dann dürfen sie eben nicht vor die Tür gesetzt werden. Wieviele ehemalige Mitglieder von Blockparteien der DDR waren eigentlich an der heutigen Bundestagsentscheidung beteiligt?
Tag: 30. September 2011
Verblödung und Unterforderung
“Selten wurden die zwei zentralen Prinzipien der deutschen Mediendemokratie – Verblödung und Unterforderung – so offenbar wie hier in der harmonischen Zusammenarbeit von Politiker und Moderator. Unversehens geronn die europäische Krise, die nicht zuletzt durch deutsches Zutun ihre Zuspitzung erfahren hat, zu einer kurzweiligen Lach- und Sachgeschichte. Hätte Jauch die Arbeit eines Journalisten gemacht, hätte er die Kanzlerin nach dem deutschen Beitrag zur europäischen Krise befragt, nach dem Zusammenhang zwischen dem phänomenalen deutschen Exportüberschuss und dem Defizit der EU-Partner. Und er hätte über den Lohnverzicht gesprochen, der den deutschen Arbeitnehmern aufgezwungen wurde und der ihre europäischen Kollegen in die Arbeitslosigkeit getrieben hat. Es liegt allerdings die Vermutung nahe, dass Jauch der beliebteste Moderator des Landes ist, weil er diese Fragen nicht stellt.” (Jakob Augstein im Freitag vom 29. September 2011 unter dem Titel: “In der gläsernen Fabrik” zum einstündigen Gespräch zwischen Günther Jauch und Angela Merkel / www.freitag.de)
Finnischer Nomadismus
Erst 2008 wurde das Nokiawerk im rumänischen Cluj eröffnet, nachdem man den nordeuropäischen Gummistiefel- und Handyhersteller mit einer Investition von 20 Millionen Euro aus Bochum fortgelockt hatte. Fast dreitausend Mitarbeiter verloren seinerzeit ihren Arbeitsplatz in Bochum. Jetzt wird das Werk in Rumänien geschlossen und zweitausendzweihundert rumänische Arbeiter verlieren ihren Job. Zwar verlangt der rumänische Staat einen Teil seiner Investitionen zurück, aber wie dieses Spiel ausgeht, hat man vor drei Jahren schon im Ruhrgebiet studieren können. Das Subventionsnomadentum von Nokia hat in nur wenigen Jahren zweistellige Millionenbeträge von Steuerzahlern in verschiedenen Ländern abgegriffen und zugleich Tausende von Arbeitsplätzen vernichtet. So geht ordinärer Kapitalismus. Von wegen Leistungseliten. Hyänen.