Tag: 31. August 2012

Demut vor der Heiligkeit des Lebens

“Oft frage ich mich, ob eine Welt vorstellbar ist, die intellektuell reich und emotional befriedigend ist und die ohne jede Religion auskommt. Es wäre eine Welt voller Demut vor der Heiligkeit des Lebens, der Natur und der Kunst, nur eben ohne den Respekt vor einem übernatürlichen Wesen. Die Religion steht im Zentrum der großen Konflikte unserer Zeit. Sie verleitet Menschen dazu, grausame Dinge zu tun. Immer wieder kidnappt die Religion die Moral. Wie destruktiv die Annahme ist, es gäbe ein besseres Leben als dieses! Diese Idee hält Abermillionen in Armut lebende Menschen im Würgegriff.  Menschen wenden sich besonders dem Glauben zu in Zeiten, in denen das Leben schwer ist und die Aussichten schlecht sind. Wer aber auf ein besseres Leben nach dem jetzigen hofft, verliert seine Hingabe an die eigene Existenz. Menschen, die die vergleichsweise flüchtigen siebzig oder achtzig Jahre Lebenszeit als kurzes Aufschimmern von Bewußtsein begreifen in einer riesigen Zeitspanne des Nichts, empfinden eine größere Verantwortung gegenüber ihrer persönlichen Erfüllung.  Tu, was du tun kannst, in der Zeit, die du hast. Gönnen wir uns die Einsicht, wie großartig es ist, daß überhaupt etwas existiert! Daß es etwas so Faszinierendes wie unser Bewußtsein gibt, das nichts anderes ist als ein komplexes Arrengement von Zellen, die uns befähigen, zu begreifen, unsere eigenen Regeln zu schaffen und die Verantwortung für unsere Moral selbst zu tragen. Das Schöne an dieser Sicht der Dinge ist: Die Welt ist so reich wie zuvor! Wir wissen inzwischen einiges über die natürliche Auslese, über zufällige Mutationen, die Auslöschung von Spezies, wir wissen, wie Viren sich wandeln können und wie wir uns als menschliche Wesen entwickelt haben. Diese Entwicklungsgeschichte sollte ein Gefühl von Ehrfurcht auslösen, gerade weil sie sich ohne einen höheren Zweck entfaltet hat.” Ian McEwan, (64) in London lebender Schriftsteller, ausgezeichnet mit dem Somerset-Maugham-Preis

Ergo

Aber, aber Herr Kaiser, was macht Ihr denn da bei der Hamburg-Mannheimer? Oder bei Ergo, wie Ihr Euch neudeutsch nennt. Ergo. Cogito ergo sum. Ich denke, also bin ich. Das große Wort des Philosophen Descartes schimmert irgendwie ja mit durch in Eurem neuen Namen. Ergo bedeutet also folglich, deshalb, mithin, darum, daher, aus diesem Grund. Ergo leitet ergo eine Schlußfolgerung ein. Nur welche? Daß, wer gut arbeitet für das Unternehmen, sich die Sause mit ungarischen Nutten leisten darf? Das war bislang der Stand. Und als das rausgekommen ist damals, daß auf Kosten der Versicherten bei Euch, bei Ergo die Sau rausgelassen worden war, wurde eifrigst beteuert, von Euren Ergospitzenleuten, daß also diese Art der Belohnung bei Ergo nicht mehr vorkommen werde. Und was lese ich jetzt, Herr Kaiser? Nix da mit den richtigen Schlußfolgerungen. Die Spitzendrücker der Versicherung haben eine Ficktour nach Jamaica geschenkt bekommen. Die Versicherten zahlen’s ja. Coito ergo sum. Ich ficke, also bin ich. Was macht Ihr nur mit dem guten alte Descartes? Oder habt Ihr es gar nicht mit dem Philosophen? Sondern eher mit der Ergonomie, der Wissenschaft von der Arbeit, der Arbeitsoptimierung. So gesehen machen der lateinische Name und die Leibesertüchtigungen für Eure Besten vielleicht eher Sinn.