Kirchenkino, das klingt ein wenig nach Bekehrung und Belehrung, nach Freudlosigkeit, nach illustrierter Bibel. Kirchenkino scheint eher mit Anstrengung und Mühe und Schwere zu tun zu haben als mit Neugier und Lust und Filmleidenschaft. Ein bißchen Gestriges schwingt in dieser Wortkombination mit, etwas Verstaubtes, Überlebtes. Gottlob aber haben wir sowas in der kleinen Stadt, ein Kirchenkino. Ursprünglich, vor zehn, elf Jahren, in der Tat als pädagogisches Projekt für Jugendliche entstanden, ist das Wermelskirchener Kirchenkino schon längst mehr. Ein Treffpunkt für Erwachsene mit Interessen. Ein Fixpunkt für Menschen mit politischem oder sozialem Gewissen. Für solche, denen nicht gleichgültig ist, was um sie herum geschieht. Und dazu muß man kein guter Christ sein. Bekanntlich. Kirchenkino ist zudem eine Chance, die längst verloren geglaubte gemeinschaftliche Rezeption von Medienangeboten wiederzubeleben, jedenfalls in Grenzen, auch eine Gelegenheit, sich mit anderen auszutauschen über das Gesehene. Mitunter ist sogar ein Gespräch möglich mit den Machern und Urhebern der Filme in der Reihe Kirchenkino im Wermelskirchener Film-Eck. Alles spricht für das Kirchenkino. Und gestern Abend war mal wieder ein solcher Abend. “Auf der Suche nach dem letzten Juden in meiner Familie. Vom Umgang mit Familiengeheimnissen.” Der Titel dieses Films von Peter Haas und Silvia Holzinger und der Anlaß des Holocaust-Gedenktages am siebenundzwanzigsten Januar versprachen schwere Kost, sozusagen die ganze Last der Geschichte in sechsundsechzig Minuten. Aber: Sehen durften die zahlreichen Zuschauer zwar einen ernsten Film, in dem sich eine große Sippe auf die Suche nach dem Jüdischen in der Familie macht, das mit der Ermordung des Großvaters Eduard Haas im Konzentrationslager Buchenwald verloren gegangen zu sein scheint. Aber auch einen Film, der ganz im Heute angesiedelt ist, der generell die Frage nach der Familie stellt, den Wurzeln, die der einzelne hat, dem Zusammenhalt, auch den Beschädigungen durch Verwandtschaft, dem “Monströsen” in der Familie, wie es Filmautor Peter Haas formuliert. Ein bewegender Film, anregend, nachdenklich, aber auch witzig und unaffektiert, ein persönliches Dokument, das den Zuschauer auf die Reise in die eigene Familiengeschichte bringt. Kirchenkino in Wermelskirchen. Am sechsundzwanzigsten Februar geht es weiter. Mit einer Liebesgeschichte um acht Uhr abends. Einem Drama. Mit großen Gefühlen in einer Zeit und an einem Ort der Gefühllosigkeit. My Beautiful Country. Die berührende Liebe zwischen einem albanischen Kämpfer und einer serbischen Witwe im Kosovokrieg. Wermelskirchen und das Kosovo. Nach der schmählichen Ausweisung von Shiret, Jeton und Mehmet Duda gibt es eine feste Verbindung vom Bergischen ins Kosovo. Laßt uns das Kirchenkino nutzen. Und genießen.