Ob Hans-Peter Friedrich das Zeug dazu hatte, ein passabler bis guter Landwirtschaftsminister zu werden, das kann ich nicht beurteilen. Ein guter Innen- und damit Verfassungsminister war Friedrich hingegen nicht. Die rechtswidrigen Aktivitäten amerikanischer und britischer Geheimdienste hat er nicht ernst genommen. Die Persönlichkeitsrechte der Bürger dieses Landes waren bei ihm nicht in guten Händen. So weit, so schlecht. Aber reicht das schon, um ihn zum ersten Bauernopfer in der Edathy-Staatsanwaltschaft-Geheimnisverrats-Grokoaffaire zu machen? Welche Amts- oder Dienstgeheimnisse hat Hans-Peter Friedrich verraten? Wem? Wann? Und vor allem: Wer stellt das fest? Die aufgeregte Journaille? Ein ängstlicher Parteiapparat? Irgendein vermeintlicher Starjournalist? Ein Rechtsprofessor? Die Bundeskanzlerin? Irgendeine Schwerpunktstaatsanwaltschaft? Ein Gericht stellt das fest. Nur ein Gericht. Das nennt man Rechtsstaat. Und wir sollten angesichts der Vergangenheit in unserem Land dankbar sein, daß wir heutzutage ein Rechtsstaat sind. Daß es Regeln gibt für juristische Auseinandersetzungen. Daß die Interessen von Beschuldigten gewahrt bleiben. Ob Sebastian Edathy ein sympathischer Zeitgenosse ist oder nicht, ist keine juristische Frage. Ob er sich allerdings strafbar gemacht hat, als er Bestellungen bei einem kanadischen Unternehmen getätigt hat, wird ebenfalls nicht von einer Facebookmehrheit entschieden, dem journalistischen Mainstream, einer Staatsanwaltschaft, einem Parteiapparat oder sonstwem. Die Strafbarkeit der gekauften Daten von Herrn Edathy kann nur von einem Gericht festgestellt werden. Von niemandem sonst. Der Erregungsgesellschaft Bundesrepublik Deutschland käme eine gewisse Langsamkeit beim Urteil, eine gewisse Nachdenklichkeit, eine Gründlichkeit der Gedanken gewiß entgegen. Es ist nicht gut, daß die Kanzlerin ihren Minister “freigegeben” hat. Nicht einmal für entschiedene Gegner der großen Koalition, zu denen ich mich auch zähle. Es ist nicht gut, daß jetzt bereits über die nächsten Opfer der Affaire spekuliert wird. Ist es denn schon klar, daß das Land von einer Affaire erschüttert wird? Welche Affaire denn? Eine Edathy-Affaire? Eine Staatsanwaltschaftsaffaire? Eine Affaire der großen Koalition? Alles Unfug. Bis jetzt.
Lieber Schrauber,
ich habe ja nicht wirklich viel gegen Hitzigkeit. Der “Quatsch” mit der Schreibung der Affaire geht darauf zurück, daß Erwachsenen niemand vorschreiben kann, keine Dudenredaktion, kein Parteivorstand, kein Experte für die deutsche Sprache, kein Lehrer, auch kein EDV-Schrauber, wie man Affaire zu schreiben hat. Letztlich bin ich doch froh, daß Sie trotz allem erkannt haben, worum es mir geht. Schreiben Sie weiterhin Affäre. Ich werde das verstehen. Hingegen werde ich weiterhin Affaire schreiben. Deal? Ja, Sie haben Recht. Die knappe Beschreibung des Innenministers Friedrichs ist in der Tat sehr wohlwollend. Und nein, Sie haben Unrecht, wenn Sie schreiben, “ganz einfach: Freidrichs hat Geheimnisverrat begangen. Dazu muss kein Gericht befragt werden”. Ob der ehemalige Minister seine Dienstpflichten verletzt hat, das eben stellt letztlich nur ein Gericht fest. Weder Sie, noch ich, noch jemand sonst kann wirksam feststellen, ob ein Minister Geheimnisverrat oder Strafvereitelung begangen hat. Und ob Herr Edathy, direkt oder indirekt von Herrn Friedrichs vorgewarnt worden ist oder von jemand anderem oder einer anderen Stelle, Behörde, Einrichtung, das, lieber EDV-Schrauber wissen weder sie noch ich. Sie bringen Ihre Meinung nur mit erheblichem Getöse vor. Das beeindruckt vielleicht. Es ersetzt aber den richtigen Weg nicht. Ich bin im Unterschied zu Ihnen mit dieser Republik noch nicht fertig. Wenn ich das richtig übersehe, hatten wir in Deutschland noch kein politisches System, in dem Willkür Willkür genannt und als solche behandelt werden und Rechtsbruch Rechtsbruch war und als solcher beanstandet werden konnte. Das ist das Grundsätzliche. Daß dagegen auch Vergehen gegen den Rechtsstaat möglich waren und sind, spricht nicht gegen die grundsätzliche Würdigung. Wenn Sie auch den Weg des Rechtsstaates verlassen, wie Sie es in Ihrem Kommentar ja andeuten, dann werden jene weniger, die ihn, den Rechtsstaat gegen die Angriffe verteidigen werden. Wenn Sie auf der Seite jener sind, denen Gefühl und Ekel ausreichender Kompaß, eherne Sicherheit und eingebaute ewige politische Vorfahrt eigen sind, denen Zweifel, Bedächtigkeit, Gründlichkeit des Nachdenkens gegen Hitzigkeit keine Werte mehr darstellen, wenn Sie also die Fraktion der Rechtsstaatsverächter stärken, dann ist es auch kein Wunder, daß der Rechtsstaat Schaden nimmt. Schade. Das alles würde ich gerne mal bei einem Bier mit Ihnen diskutieren.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Horn
Bevor ich mich über die meines Erachtens sehr befremdliche Bewertung der “Edathy-Affäre” nur mal kurz eine Frage: Was soll eigentlich der Quatsch mit “affaire”? Eine Affäre ist im Deutschen eben eine Affäre.
Zum Inhalt:
“Ein guter Innen- und damit Verfassungsminister war Friedrich hingegen nicht. Die rechtswidrigen Aktivitäten amerikanischer und britischer Geheimdienste hat er nicht ernst genommen.”
Das ist schon sehr wohlwollend formuliert!
“Aber reicht das schon, um ihn zum ersten Bauernopfer in der Edathy-Staatsanwaltschaft-Geheminisverrats-Grokoaffaire zu machen? Welche Amts- oder Dienstgeheimnisse hat Hans-Peter Friedrichs verraten? Wem? Wann? Und vor allem: Wer stellt das fest? Die aufgeregte Journaille? Ein ängstlicher Parteiapparat? Irgendein vermeintlicher Starjournalist? Ein Rechtsprofessor? Die Bundeskanzlerin? Irgendeine Schwerpunktstaatsanwaltschaft?”
Ganz einfach: Freidrichs hat Geheimnisverrat begangen. Dazu muss kein Gericht befragt werden. Er hat z.B. -direkt oder indirekt- dafür gesorgt, dass Edathy vorgewarnt war. Ich weiß nicht, ob sie wissen, wie so eine Hausdurchsuchung abläuft, ist aber keine schöne Sache. Morgens früh wenn Sie noch im Schlummerland sind, fegt eine Rollkommando der Bullen wie ein Orkan durch ihre Bude und stellt alles auf den Kopf. Bei Edathy ist das anders gelaufen. Außerdem hatte Edathy vorher schon “aufgeräumt”. Es wäre also mehr als seltsam, wenn man was gefunden hätte! Letztendlich hat Friedrichs Strafvereitelung im Amt begangen.
“Ein Gericht stellt das fest. Nur ein Gericht. Das nennt man Rechtsstaat. Und wir sollten angesichts der Vergangenheit in unserem Land dankbar sein, daß wir heutzutage ein Rechtsstaat sind.”
Entschuldigung, aber darüber kann ich nur noch lachen. Die aktuelle Bananenrepublik noch als Rechtsstaat zu bezeichnen ist bestenfalls Ignoranz, im schlechtesten Fall Verhöhnung der Opfer desselben. Ich will hier gar keine Beispiele bringen, aber die Anzahl und die Art und Weise, wie der “Rechtsstaat” in den letzten Jahren Urteile gefällt hat, spricht schon Bände. Sie dürfen gerne mal Onkel Google befragen, wie die Gerichte dieses Landes denn so entscheiden, wenn sich ein Bürger gegen die Machenschaften eines Mitglieds der ehrenwerten Exekutive in grüner Uniform wehrt. Ist so ein bischen wie in China, wo der Familie des Opfers nach der Hinrichtung noch die Kugel in Rechnung gestellt wird. Bayern ist da ja ganz weit vorne.
“Daß es Regeln gibt für juristische Auseinandersetzungen. Daß die Interessen von Beschuldigten gewahrt bleiben.”
Da sind wir (leider!) schon lange nicht mehr. Und falls Sie es nicht gemerkt haben: die Gesetze werden von denen da im Parlament gemacht.
“Ob Sebastian Edathy ein sympathischer Zeitgenosse ist oder nicht, ist keine juristische Frage. Ob er sich allerdings strafbar gemacht hat, als er Bestellungen bei einem kanadischen Unternehmen getätigt hat, wird ebenfalls nicht von einer Facebookmehrheit entschieden, dem journalistischen Mainstream, einer Staatsanwaltschaft, einem Parteiapparat oder sonstwem. Die Strafbarkeit der gekauften Daten von Herrn Edathy kann nur von einem Gericht festgestellt werden. Von niemandem sonst.”
Wissen Sie eigentlich, was die Ironie an der Sache ist? Weshalb Edathy jetzt auch in der Scheiße sitzt? Genau wegen der Verwässerung und Verschwurbelung der Gesetzeslage im Bereich Kinderpornographie, die er selbst maßgeblich mitbestimmt hat. Können Sie hier lesen:
http://www.kanzleikompa.de/2014/02/13/die-gummiparagrafen-die-er-rief/
“Der Erregungsgesellschaft Bundesrepublik Deutschland käme eine gewisse Langsamkeit beim Urteil, eine gewisse Nachdenklichkeit, eine Gründlichkeit der Gedanken gewiß entgegen.”
Langsamkeit? Nein! Nachdenklichkeit? Vielleicht! Gründlichkeit? Ja. Das hat aber nichts mit dem Ablauf der Zeit zu tun.
“Es ist nicht gut, daß die Kanzlerin ihren Minister “freigegeben” hat.”
Aha, Ihnen ist also das übliche Merkel-Schema lieber? Also erst mal das Vertrauen ausprechen und erst dann über die Klinge springen lassen, wenn die Sachlage so klar ist, dass die Shice, in der der Delinquent schwimmt, schon in den eigenen Pool überzuschwappen droht?
“Nicht einmal für entschiedene Gegner der großen Koalition, zu denen ich mich auch zähle.”
Doch!
“Es ist nicht gut, daß jetzt bereits über die nächsten Opfer der Affaire spekuliert wird. Ist es denn schon klar, daß das Land von einer Affaire erschüttert wird? Welche Affaire denn? Eine Edathy-Affaire? Eine Staatsanwaltschaftsaffaire? Eine Affaire der großen Koalition?”
Eine Geheimnisverrats-Affäre. Eine Amtsmißbrauchs-Affäre. Und letztendlich widerliche politische Strategiespielchen von widerlichen Politikern.
“Alles Unfug. Bis jetzt.”
Sehen wir es doch so: Letztendlich ist Al Capone ja auch wegen Steuervergehens verknackt worden. Aber egal, warum: Der war für immer von der Straße weg. Und das war auch gut so.
Mit freundlichem Gruß
-EDV-Schrauber-