Neunzehnhundertdreiundsechzig schon hat der Jurist und Sänger und Oppositionelle und zeitlebens Unangepaßte, der Doktor der Rechte, Franz Josef Degenhardt, Sozialdemokrat zunächst, Kommunist hernach, Cousin von Johannes Joachim Kardinal Degenhardt, dem Erzbischof von Paderborn, bekannt, daß er Weintrinker sein möchte und die Idylle seines Lebens beschrieben
Ich möchte Weintrinker sein,
mit Kumpanen abends vor der Sonne sitzen
und von Dingen reden, die wir gleich verstehn,
harmlos und ganz einfach meinen Tag ausschwitzen
und nach Mädchen gucken, die vorübergehn.
Ich möchte Weintrinker sein.
Ich möchte Weintrinker sein,
und nicht immer diese hellen Schnäpse saufen,
nicht von Dingen reden, die nur mich angehn,
mir nicht für zwei Gläser Bier Verständnis kaufen,
nicht mit jenen streite, die am Tresen stehn.
Ich möchte Weintrinker sein,
bei’nem herben Roten oder leichten Weißen
um’ne Runde spielen, nach der keiner fragt,
ein paar Witze über den Verlierer reißen,
der ganz einfach nur darüber lacht.
Ich möchte Weintrinker sein,
nicht beim Schnaps um Zehntel Skat mit Hirschbock spielen,
wo man gierig Geld in seine Tasche wischt,
nicht dem Nachbarn heimlich in die Karten schielen,
ihn nicht schlagen, wenn er sich zwei Asse mischt.
Ich möchte Weintrinker sein,
mit Kumpanen lachend ein paar Lieder singen,
die sich um Trinken, Mädchen und um Liebe drehn,
nebenbei ein bisschen reden von den Dingen,
die am tag in einer kleinen Stadt geschehn.
Ich möchte Weintrinker sein,
nicht ab Mitternacht “Frau-Wirtin-Verse” grölen,
kein Soldatenlied und nicht den “Tag des Herrn”,
und nicht vom “Mittelabschnitt” irgendwas erzählen
und nichts von Hungerpest in Hongkong hör’n.
Ich möchte Weintrinker sein,
auf dem Nachhauseweg wie Kinder darauf achten,
dass man beim Bürgersteig nicht auf die Ritzen tritt,
und im Bett dran denken, wie die Mädchen lachten,
und im Schlaf noch lachen über meinen Schritt.
Ich möchte Weintrinker sein.