Tag: 9. Oktober 2014

Allianzen, so oder so

Da sind sie seinerzeit eine Allianz eingegangen, der Politiker und der Journalist, der Macher und sein Schreiber. Der eine der Ghostwriter des anderen. Geisterschreiber, das ist ein Auftragsschreiber. Einer, der im Namen eines Auftraggebers, der selbst nicht gut schreiben kann oder will, Texte verfasst, Bücher, Reden, Kolumnen. Der Lohndichter wird in der Regel weder auf dem Einband noch im Titel erwähnt. Gelegentlich erscheint ein Hinweis im Impressum. Eine merkwürdige Allianz. Der Staatsmann, weil er auch nicht gut schreiben kann, bedient sich eines Schreiberlings, um der Öffentlichkeit dickbändige Autobiographien vorzu-, na was eigentlich, gaukeln? täuschen? legen? nun gut: vorzulegen. Dann aber wird, womöglich auf Betreiben der Politikergattin, was in diesem Fall sogar eine Berufsbezeichnung zu sein scheint, der Kontrakt gelöst. Der Schreiber soll nicht mehr im Namen des gewesenen Politikers dichten. Also schreibt er fortan unter eigenem Namen. Und bedient sich der Aufzeichnungen aus jenen guten Jahren, in denen die Allianz mit dem großen Mann noch hielt. Aus dem Autobiographiker wird ein Biograph. Also einer, der die Lebensbeschreibung eines anderen erarbeitet. Und um dem neuen Werk, dem nach der Scheidung entstandenen, den richtigen “Drive” zu geben, es mit gehöriger Wucht zu plazieren, werden Zitate, Wertungen, Urteile des Staatsmannes veröffentlicht, die an Peinlichkeit kaum mehr zu überbieten sind, die alles andere bezeugen als den gutbürgerlichen Umgang des großen Menschen mit den seinen. Der eine zieht mit Häme über seine Kollegen und Mitstreiter her, der andere nutzt die hämischen Formulierungen nun zynisch für seinen eigenen Buchabsatz. Die Allianz besteht fort. Irgendwie verdreht. Aber sie besteht. Der eine braucht den anderen. Beide brauchen sich, damit sie dem Vergessen entgehen. Beide brauchen sich, um einen Nimbus zu wahren. Der eine den des Staatsmannes. Der andere den des guten Journalisten. Nimbus. Damit ist gemeint Ruhm, ein guter Ruf, ein besonderes Ansehen. Das lateinische Nimbus steht aber auch für dunkle Wolken. Das Bild taugt mir eher. Die  dunkle Wolke. Sie verdeckt, daß der eine nicht wirklich ein die Zukunft des Landes gestaltender Politiker und Staatsmann war. Am Ende seiner Karriere sogar einer, der die Gesetze des Landes gebrochen hatte, sich uneinsichtig zeigte, die Partei höher stellte als das Land und seine Menschen. Der Nimbus des unabhängigen Journalisten ist abhanden geraten, als er zum Auftragsschreiber mutierte, der jetzt noch, nach dem Bruch mit seinem Auftraggeber, Unterlagen fleddert, Notizen, Abschriften, Kopien der Tonbänder, um mit einem, wie soll man sagen?, mit einem Rachebuch scheffeln zu können, bevor der alte Mann das Zeitliche segnet. Noblesse, bürgerliche Tugenden? Auf beiden Seiten nicht. Schade.