Willkommen in Wermelskirchen

Es ist die Stunde gekommen, ein Europa aufzubauen, das sich nicht um die Wirtschaft dreht, sondern um die Heiligkeit der menschlichen Person.” So der Papst in dieser Woche vor dem Europaparlament. Die Heiligkeit der menschlichen Person. Nicht die Heiligkeit nur der europäischen Person. Alle Menschen sind heilig. Ob sie nun reich sind oder arm, ob sie in Europa leben oder anderswo, ob sie alt sind, groß, schön, mutig oder anmutig, selbständig oder bedürftig, Christ oder Moslem, einerlei. Der Mensch an sich ist heilig. Und dort, wo die Heiligkeit des Menschen bewahrt, gepflegt wird, wo sie Leitlinie des Handelns ist, dort ist die Zivilgesellschaft in guten Händen. In Wermelskirchen beispielsweise. “Um Flüchtlingen und Asylsuchenden Hilfestellung zu leisten und sie, durch tatkräftige Unterstützung, willkommen zu heißen, ist eine Hundertschaft von Menschen aus unterschiedlichen Kirchengemeinden nun aktiv geworden: ‘Willkommen in Wermelskirchen – Initiative von Christen für Asylsuchende’ ist ihr vorläufiger Name und hat, nach einem ersten Treffen vor vier Wochen, bereits erste Erfolge vorzuweisen.” So war es in dieser Woche in der Bergischen Morgenpost zu lesen. Nochmal: Christen aus unterschiedlichen Kirchengemeinden in unserer Stadt heißen die einhundertfünfundzwanzig Asylsuchenden in Wermelskirchen Willkommen. Mehr noch, sie helfen diesen gestrandeten und geschundenen Mitbürgern: “Arbeitsgruppen, die Sprachkurse anbieten, ein Café International, Mentoren, ein virtuelles Möbellager, Informationen in Sachen Asylrecht oder simple Aufbau- und Umzugshilfe leisten, sind bereits in der Initiative entstanden. Auch ein gemeinsames Weihnachtsfest mit und für Flüchtlinge soll voraussichtlich am Sonntag, 28. Dezember, gefeiert werden.” Zudem werden elf Flüchtlingskinder von drei Lehrern ehrenamtlich unterrichtet, bis sie in der Lage sind, am regulären Schulunterricht teilzunehmen. Wie heißt es so schön in der Bibel, bei Matthäus Fünfundzwanzig, Vierzig: “Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.” Wahrlich, ein Zeichen, das diese Bürger Wermelskirchens in dieser Woche gesetzt haben. Denn aus der Mitte der Gesellschaft ist zusehends mehr Angst vor Fremdem und Fremden zu verspüren. Unter dem Deckmantel der Islamkritik wird mehr und mehr Xenophobie verbreitet. Selbst ein stadtbekannter Ratsherr beispielsweise nutzt die Hinrichtung einer Frau im Iran als Vorwand, um die Frage zu stellen, “ob es nicht sinnvoll wäre, das Konzept des ‘friedlichen Zusammenlebens’ unterschiedlicher Kulturkreise in Frage zu stellen zu müssen? Es scheint zumindest einen prominenten Kulturkreis zu geben, in dem Gewalt, Unterdrückung, Missachtung der Menschenrechte etc. an der Tagesordnung sind – und dies sogar staatlich legitimiert. Wen dem so ist, sollte man konsequenterweise die Entscheidung treffen, dass dieser Kulturkreis seine Kultur in seiner geografischen Region pflegen kann, aber bitte nicht bei uns!” By the way: Das war kein Ratsherr der AfD, wie man ja womöglich annehmen könnte.  Wer noch mehr Unflat über ausländische Mitbürger, über Flüchtlinge oder Asylsuchende lesen möchte, der suche die Kommentarseiten der Bergischen Morgenpost zu einem Artikel über die Mahnwache in dieser Woche vor dem Rathaus auf. Dennoch: Die christliche Initiative “Willkommen in Wermelskirchen” belegt, daß die Zivilgesellschaft lebt, daß Bürger achtsam sind, daß man Menschen in Not und Bedrängnis beisteht, die Augen vor Leid nicht verschließt. Ich wünsche mir, daß sich die politischen Parteien, die Vereine, Künstler, Schulen, andere Gruppen, Stammtische, Chöre und Gesangvereine, städtische Institutionen, Unternehmen, WiW,  Rockbands, Journalisten, Lehrer, Volkshochschule, Stadtverwaltung, kurzum: daß sich das menschliche Wermelskirchen, die Mitte der Gesellschaft, unser Gemeinwesen um diese Initiative der Einhundert versammelt, den Kreis der Helfenden vergrößert und so ein Zeichen setzt für nachhaltige Hilfe für Flüchtlinge und Bedrängte, gegen Unmenschlichkeit und Verrohung, gegen Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhaß. Nochmal, weil es doch schön ist, wenn ein Heidenkind die Bibel zitiert, Matthäus Fünfundzwanzig, Vierzig: “Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.”

5 Kommentare

  1. EDV-Schrauber

    Vielen Dank für den Link. Ich habe die BM schon oft genug -auch in diesem Blog- als übles Provinz-Käseblatt bezeichnet. Das passt der Umgang mit den Kommentaren doch ins Bild, übrigens ein (leider) weit verbreitetes Problem in der deutschen Medienlandschaft.

    Gleichwohl passt es ins Bild, dass die “Abschiebung” nirgends als das bezeichnet wird, was sie in Wahrheit ist: eine Deportation, die in Deutschland 60 Jahre nach dem Krieg wieder praktiziert wird.

    Den Geschädigten die ganze Chose dann noch finanziell in Rechnung zu stellen ist das i-Tüpfelchen, quasi wie in China, wenn der Familie nach der Hinrichtung die Kugel berechnet wird.

    Mich widert das an. Genauso, wie die üblichen Salon-Nazis, die ihren rechten Sermon unter dem Deckmäntelchen der Meinungsfreiheit (“man wird ja noch diskutieren dürfen”) absondern, aber anschließend schuldabweisend die Hände heben und dann mitteilen, so sei das alles ja nicht gemeint gewesen.

    Mit freundlichem Gruß
    -EDV-Schrauber-

  2. Da haben Sie vollkommen Recht, denn ich finde die Kommentare zum Beitrag “Eine Mahnwache zum Abschiebung-Jahrestag” auch nicht mehr. Die Redaktion hat wohl gelöscht. Warum auch immer. Den Kommentatoren hat sie indes keinen Hinweis gegeben. Wenn man das nicht macht, sollte man die Möglichkeit des Kommentars auch nicht einräumen. Ich bedaure, daß die Redaktion nicht genau weiß und auch nicht klärt, was sie mit Kommentaren veranstalten soll und kann. Wenns bloße Verfügungsmasse der Redaktion ist und bleibt, braucht sich kein Leser Gedanken zu machen. Hier der Link zum Beitrag: http://www.rp-online.de/nrw/staedte/wermelskirchen/eine-mahnwache-zum-abschiebungs-jahrestag-aid-1.4691755

  3. EDV-Schrauber

    Ich finde die Kommentare in der Bergischen Morgenpost nicht. Link?

    Mit freundlichem Gruß
    -EDV-Schrauber-

  4. Liebes Christenkind Henning Rehse,
    das sind Deine Fragen, die Fragen des evangelischen Christen Henning Rehse an das Heidenkind Wolfgang Horn: Wem helfe ich? Meine Antwort: Allen Menschen, die hier leben und in Not sind. Warum sind die Menschen hier? Das Heidenkind antwortet: Weil sie verfolgt werden, gepeinigt, drangsaliert. Weil die Verhältnisse, in denen sie leben mussten, ein gutes Leben nicht möglich macht. Wievielen Menschen sind wir in der Lage zu helfen? Heiner Geißler hat neulich im Fernsehen auf diese Frage geantwortet, daß wir, die Bundesrepublik noch sehr viel mehr Menschen aufnehmen können und auch werden müssen. Deine Fragen, Henning Rehse, sind aber keine kritischen Fragen. Sie sind Fragen mit einem Subtext. Der Subtext lautet: Menschen, die hier bei uns in Not sind, sollten unterschiedlich behandelt werden. Menschen, die nicht vor politischen Zwängen oder Gewalt und Krieg geflohen sind, sondern vor einem ökonomischen Desaster, einer Ernährungskatastrophe, vor Armutskriminalität, vor Mißernten sollten unsere Hilfe nicht erhalten. Die reiche Bundesrepublik ist nämlich ein ziemlich volles Boot, mehr Menschen können in dieses Boot nicht hinein. Wir haben schon mehr Flüchtlinge in unserem, Land, als wir ertragen können. Das alles ist Dein unchristlicher Subtext. Zur gefälligen Information: Der sehr kleine und sehr arme Staat Libanon hat mehr als eine Million Flüchtlinge aufgenommen. Mehr als ein Viertel seiner eigenen Bevölkerung. Deutschland hat mehr Menschen aufgenommen, als die Nachbarstaaten in der Europäischen Union. Das ist richtig. Aber sollen die notleidenden Menschen hier auf Hilfe und Unterstützung warten, bis ein ungeheuer komplizierter Abstimmungsprozess zwischen den europäischen Ländern vollzogen worden ist? Auch diese These hat einen Subtext. Erst einmal nichts tun. Elend entstehen lassen und verwalten, Abschreckung praktizieren. Die ganzen Subtexte des evangelischen Christen Henning Rehse haben mit den Beweggründen der christlichen Helfer in Wermelskirchen nichts zu tun. Diese Subtexte werden von Rechtspopulisten, Ausländerfeinden, Menschen, die Angst haben und machen vor Fremden und Fremdem, explizit formuliert. Jeder, der aus der Mitte der Gesellschaft heraus Thesen formuliert, nach denen das friedliche Miteinander der autochthonen Bevölkerung mit Menschen aus fremden Kulturkreisen kaum oder nur sehr schwer oder nur unter restriktiven Bedingungen möglich ist, spielt den eben genannten Gruppen in die Feder. Allen Menschen, die hier sind und in Not leben, muß geholfen werden. Unterschiedslos. Die Würde des Menschen ist unantastbar und unteilbar. Ich danke der Initiative „Willkommen in Wermelskirchen“ ausdrücklich, daß sie keine Unterschiede zwischen Menschen macht. Wir brauchen diese Willkommenskultur in unserer Stadt.

  5. Henning Rehse

    Liebes Heidenkind Wolfgang Horn!

    Ich schließe mich Deinem “Willkommen in Wermelskirchen” grundsätzlich an.
    Natürlich ist es Christenpflicht, verfolgten und geschundenen Menschen zu helfen.

    Dabei dürfen un dmüssen aber auch (kritische) Fragen zum Thema weiterhin erlaubt bleiben:
    Wem helfe ich?
    Warum ist wer hier?
    Wie vielen Menschen sind wir in der Lage zu helfen?

    Deutschland ist ausschließlich von sicheren Drittstaaten umgeben.
    Um dem Shitstorm direkt vorzubeugen: der Hinweis soll nicht implizieren, dass Deutschland deshalb niemand aufnehmen sollte. Natürlich muss und soll Deutschland seinen humanitären Beitrag leisten. Dieser Beitrag muss aber der Leistungskraft der jeweiligen Länder angemessen von ALLEN EU-Mitgliedern erbracht werden.

    Die von Dir vorgenomme Verquickung der Anwesenheit von Flüchtlingen und Asylbewerbern mit Problemen interkulturellen Miteinanders ist sehr unglücklich und hoffentlich nicht bewusst gewählt, um das eine Thema mit dem anderen zu verbinden bzw. noch schlimmer zu instrumentalisieren.

    Ja, der von Dir zitierte Satz des “friedlichen Zusammenlebens” der Kulturkreise stammt von mir und ich stehe dazu:
    Wenn bestimmte Kulturen ihre Auswüchse mittel- oder unmittelbar bei uns ausleben möchte, darf muss die Frage der Trennung gestellt werden.

    Mit Flüchtlingen und Asylbewerbern hat diese Frage aber weder quantitativ noch qualitativ in irgendeiner Form etwas zu tun!

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