Tag: 16. März 2015

Post

Heute vor siebenundsiebzig Jahren: Der Krieg ist aus. Deutschland hat kapituliert. Endlich. Das Elend des Krieges, die Verelendung der Menschen wurde auch deutlich in den Feldpostbriefen deutscher Soldaten an die Angehörigen zu Hause. Heute begehen wir den Tag der Befreiung vom Faschismus. Befreit haben Deutschland und Europa die Alliierten, allen voran die Sowjetunion, die die meisten Opfer in diesem Krieg zu beklagen hatte. Es ist bitter und traurig, an einem solchen Tag russische Soldaten bewaffnet und mordend im Nachbarland Ukraine zu wissen: 
Wolfgang Horn

Ein paar Worte aus einem Brief: “Das Wetter ist wundervoll. Richtig Sommer. Glühender Sonnenschein, dazwischen erfrischende Gewitter. Schon seit ca. 14 Tagen. Dazwischen war es auch schon wieder mal kälter und nass, wird aber jetzt wohl schön bleiben. – Pfingsten wird bei uns ‘gefeiert’.” Schreibt  Heinz an Elly. “Im übrigen gefällt es mir hier sehr gut, wir sind am Atlantischen Ocean in einem Dorf neben La Rochelle, waren in Nantes, Orleans, Besancon etc. etc.. (…) In Pessé, nahe Orleans, hatte ich eine schöne, große, schlanke Französin, doch leider kamen wir von dort zu schnell weg.” Berichtet Horst seinem Vater Helmut. Urlaubsgrüße? Ferienliebschaften? Nein: Soldatenbriefe. Feldpost. Banales aus dem Soldatenalltag. “Na bitte. Änne, was sagte ich Dir? Dem Jungen geht es blendend!” Selbstbetrug in Briefen, geschrieben an die Lieben in der Heimat. Und, seltener, bittere Anklage: “Dieser verdammte Scheiss-Krieg. Was weiß man noch vom richtigen Leben. Das ganze Material der Erde wird eingesetzt um sich gegenseitig zu morden. Findet sich denn niemand der diesem Einhalt gebietet?” Oder: “Ich kann so richtig keinen Anfang finden. Was soll man schreiben? Daß die ganze Welt verrückt geworden ist? Erlebt man das alles wirklich, oder ist alles nur ein Böser Traum?” Das Böse ist kein Traum. Das Böse ist die Wirklichkeit des Soldaten. Siebzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hat die Volkshochschule einen ganztägigen Theaterworkshop unter der Leitung von Bardia Rousta veranstaltet und eine szenische Lesung aus Feldpostbriefen aufgeführt. Eine Veranstaltung im Rahmen der Reihe: “Der Krieg ist aus!” Vom Bösen und Banalen des Soldatenlebens, von der Hoffnung auf den Sieg bis zu Wut und Verzweiflung über Elend und Verbrechen der Deutschen und des Faschismus. “Was soll ich Euch jetzt eigentlich schreiben? Wie es uns geht zu schreiben, heißt immer wieder an die Greuel der Zeit erinnert zu werden. Außerdem will ich Euch nicht immer damit beschweren.” Ein vorzügliches Projekt, das Marjanne Meeuwsen von der Volkshochschule Bergisch Land in Zusammenarbeit mit Armin Himmelrath vom Verein Bergische Zeitgeschichte organisiert hatte. Ein Projekt unter der Leitung des in Wermelskirchen bekannten Regisseurs Bardia  Rousta. Rousta und die Teilnehmer ließen Texte lebendig werden, die einem nach über siebzig Jahren noch Gänsehaut machen, die verstören, aufklären, ärgern, staunen lassen. Zu Bildern von Feldpostbriefen, zu Fotografien aus dem Wermelskirchen der dreißiger und vierziger Jahre, zu Postkarten und persönlichen Fotos der Soldaten. Eine Revue, die aufklärt und beunruhigt. Eine perfekte Show. Fast perfekt. Wenn sie denn mehr Besucher und Interessierte gefunden hätte. Sonntags Abend. Gegen die Sportschau. Schade. Ein Gedicht, aus einem Feldpostbrief von der Ostfront. “Weihnachten fällt aus! / Josef ist bei der Wehrmacht. / Maria ist beim Roten Kreuz. / Die Weisen aus dem Morgenlande haben keine Einreisegenehmigung bekommen. / Der Stern von Betlehem darf wegen Verdunkelung nicht mehr scheinen. / Das Kind ist wegen Fliegeralarm evakuiert worden. / Die Krippe befindet sich bei der NSV. / Heu und Stroh hat die Wehrmacht beschlagnahmt. / Im Stall liegt die Flack. / Die Hirten sind vom Militär eingezogen und die Engel an die Front kommandiert. / Wegen dem Esel allein lohnt es sich nicht.”

Wassermann und Fisch

Isabelle Geneviève Marie Anne Gall, genannt France Gall, war es, die mit Poupée de cire, poupée de son Neunzehnhundertfünfundsechzig den Eurovision Song Contest gewann, der seinerzeit noch Grand Prix Eurovision de la Chanson geheißen wurde. Die französische Sängerin gewann diesen Wettbewerb fürs kleine Luxemburg mit einem Lied von Serge Gainsbourg, später fürs Je’t aime berühmter geworden. Hernach verließ sie Frankreich und machte in Deutschland Karriere. Ich gestehe, daß ich ihren Siegeszug in die deutschen Wohnzimmer nicht verfolgen konnte, da ihre Lieder für mich seinerzeit nicht als Musik galten, sondern in der Rangliste kultureller Entgleisungen im Umfeld von Roberto Blanco, des röhrenden Hirschen, des gehäkelten Telefonmäntelchens, des biertrinkenden Mönches oder des mit der Handkante gehauenen Knicks im Sofakissen angesiedelt waren. Und dennoch: Heute habe ich Anlaß, auf France oder Isabelle Geneviève Marie Anne zurückzukommen. Denn: Meine Frau wird heute fünfundsechzig. Ja. Kommt man von alleine nicht drauf, ich weiß. Und, nein, France Gall hat kein Ständchen gesungen auf Barbara. Aber eins auf unsere astrologische Konstellation. Es wird Zeit, daß ich dies öffentlich mache. Wassermann und Fisch. Ein Konstellation, die gar nicht geht. Zwei nicht ganz unbekannte Astrologen haben uns dies schon vor Jahren attestiert. So richtig. Mit Unterschrift und Stempel. Wassermann und Fisch gehen nicht zusammen. Niemals. Never ever. Und dennoch sind wir in diesem Jahr zweiundvierzig Jahre verheiratet. Die Sterne also irren doch. Oder die Sterngucker. Isabelle Geneviève Marie Anne hat das besungen. Hört mal. Oder lest mal, wenn das Stimmchen auf Deutsch nicht so richtig verstehbar ist.

 

Er ist Wassermann und ich bin Fisch
darum gab es bei uns gar keine Probleme.
Er ist Wassermann und ich bin Fisch
Darum war bei uns die Liebe immer frisch.

Er ist Wassermann und ich bin Fisch
und das war bisher für mich das Angenehme.
Er ist Wassermann und ich bin Fisch
darum war bei uns die Liebe immer frisch.

Am Sonntag warn wir im Cafe
dort lagen Illustrierte ‘rum.
Wir fanden unser Horoskop
da wurden wir ganz plötzlich stumm.
Dort stand es schwarz auf weiß –
uns wurd’ es kalt und heiß!

Er ist Wassermann und ich bin Fisch
und wir passen überhaupt gar nicht zusammen.
Er ist Wassermann und ich bin Fisch
und laut Horoskop fällt Liebe unter’n Tisch.

Er ist Wassermann und ich bin Fisch
darum soll ich für ihn gar nicht mehr entflammen.
Er ist Wassermann und ich bin Fisch
aber unsere Liebe fällt nicht unter’n Tisch.

Im Horoskop da steht so oft
mit wem man glücklich wird.
Und wenn man liest und glaubt und hofft
hat man sich oft geirrt.
Was kann ich denn dafür –
ich liebe keinen Stier!

Er ist Wassermann und ich bin Fisch
darum gab es bei uns gar keine Probleme.
Er ist Wassermann und ich bin Fisch
Darum war bei uns die Liebe immer frisch.

Er ist Wassermann und ich bin Fisch
und das war bisher für mich das Angenehme.
Er ist Wassermann und ich bin Fisch
darum war bei uns die Liebe immer frisch.

Nachtrag: Junger Wassermann und junge Fischin

Wolfgang und Barbara