Der Bundesnachrichtendienst hat illegal und im Auftrag des US-Geheimdienstes NSA spioniert – und keiner will dafür verantwortlich sein. Wenn es um Fehler, Affären und Skandale von Geheimdiensten geht, ist seit jeher ein Phänomen zu beobachten, das Verantwortungsdiffusion heißt: Niemand weiß angeblich so richtig, wie und warum es zum Skandal kam und wer wann von ihm wusste. Und wer etwas davon wusste, der leugnet – wie Innenminister de Maizière soeben – dass er davon wusste. Das ist ein unerträglicher Zustand: Die Übernahme von Verantwortung gehört zum Wesen der Demokratie. Wenn niemand verantwortlich ist, ist zumindest das ein Indiz für eine miserable Organisation. Dann greift das, was man politische Verantwortung nennt: eine Haftung des zuständigen Ministers, selbst wenn er in einen Skandal nicht persönlich verstrickt war.
Heribert Prantl, Außer Kontrolle, in: Süddeutsche Zeitung von heute