Wie eingemauert verharrt die SPD im 25-Prozent-Keller. Das ist auch das „Verdienst“ Gabriels: Er verkörpert das Elend der deutschen Sozialdemokratie. Es mangelt ihm an Substanz, an sozialdemokratischer Grundierung. Er ist ein Machtpolitiker ohne inneren politischen Kompass. Er kann nicht überzeugen, weil es ihm an Überzeugungen fehlt. Von der Verschärfung des Asylrechts über TTIP und Vorratsdatenspeicherung bis zur Rüstungsexportpolitik: Unter Gabriels Führung gibt die SPD den perfekter Juniorpartner der Union. Deswegen ist seine Kanzlerkandidatur auch kein Aufbruchsignal. Sie zementiert vielmehr die politischen Verhältnisse. Das Glück für Gabriel ist das Dilemma all jener, die die Hoffnung auf eine gerechtere und sozialere Gesellschaft noch nicht aufgegeben haben: Die SPD hat zurzeit nichts Besseres im Angebot. Ihr fehlt ein Jeremy Corbyn.
Pascal Becker, Ein Sigmar ist kein Jeremy, in: Tageszeitung vom dreißigsten Oktober Zweitausendundfünfzehn