Tag: 13. November 2015

Irren

In Zeiten wie diesen, in denen der öffentliche Diskurs durch eine zunehmend enthemmte Aggression vergiftet wird, tut es gut, sich der eigenen Anfälligkeit für Irrtümer gewahr zu bleiben. Wenn die absolute Wahrheit für uns nicht zu haben ist, wenn es uns nur möglich ist, “Wahrheitsähnliches” zu erblicken, dann sollten sich manche dogmatischen Ideologien, manche finsteren Tonlagen, manch scharfer Angriff auf Andersdenkende erübrigen. Die Bereitschaft, den kritischen Zweifel nicht nur gegen andere, sondern auch gegen eigene Eindrücke und Überzeugungen zu richten, schwächt keineswegs die eigene Position, sondern schützt hoffentlich vor verletzenden Grobheiten und verfeinert gleichzeitig die Gründe, die für die eigenen Ansichten angeführt werden. Sich zu fragen, was gegen die eigenen Überzeugungen spricht, eigene Widersprüche oder Ambivalenzen aufzufächern, hilft vielleicht, sich dem Wahrheitsähnlichen zu nähern. Meine Klavierlehrerin aus Kindertagen hat mich einmal ermahnt mit dem stilprägenden Satz: “Wenn du schon falsch spielst, dann wenigstens präzis.” Sich zu verspielen, das war ihrer Auffassung nach tolerabel, aber ungenaues Haspeln, das war unverzeihlich. Manchem, der sich auf der Straße, in Gesprächssendungen oder im Parlament äußert, möchte man eine solche Klavierstunde empfehlen. Vielleicht würde es helfen, zu einem zivilisierteren Miteinander zurückzufinden.

Carolin Emcke, Irren, in: Süddeutsche Zeitung vom vierzehnten November Zweitausendfünfzehn

Eibe64@wermelskirchen.de

Abwegig, oder? Mark Levine, Stadtrat in New York will zweihundert der im Ganzen mehr als fünf Millionen Bäume in der us-amerikanischen Metropole mit E-Mail-Adressen ausstatten, “die dann auf einem Schild an den Pflanzen oder in deren Umgebung zu lesen” sein werden. Bevorzugt werden sollen vor allem jene Großpflanzen, die unmittelbar an einer Straße wachsen. So soll das öffentliche Bewusstsein für Bäume in der Stadt gestärkt werden. Zudem könne das Publikum mit der E-Mail-Adresse leichter Probleme mit dem jeweiligen Baum an die Verantwortlichen in der Verwaltung melden. Mein Freund, der Baum …

 

Dreizehn

Zum heutigen Datum habe ich schon mal was geschrieben, kürzlich noch. Unter dem Titel: Paraskavedekatriaphobie. Seinerzeit habe ich aufs heutige Datum hingewiesen: “In diesem Jahr werden wir im November noch einmal die Paraskavedekatriaphobiker in ihren Betten begrüßen können, nicht jedoch in Büros und Fabriken, Straßenbahnen, Reisebüros oder Einkaufszeilen.” Die Dreizehn ist, nach Wikipedia, “die natürliche Zahl zwischen Zwölf und Vierzehn. Sie ist ungerade und eine Primzahl. Sie gilt sowohl als Unglückszahl als auch als Glückszahl.” Aha. Glück und Unglück. In einer Zahl. Das soll der Dreizehn mal eine nachmachen. Gleichwohl. Für die meisten überwiegt das Unglück, hat man mit der Dreizehn zu tun. Man meidet Räume, Stockwerke oder allgemein die Zahl Dreizehn. In Gebäuden fehlt mitunter der dreizehnte Stock. In Passagierflugzeugen wird die dreizehnte Reihe ausgelassen, übersprungen. Und in Krankenhäusern und Hotels wird oft auf ein Zimmer mit der Nummer dreizehn verzichtet. “Da, nimm die Schlüssel zu den dreizehn Türen des Himmelreichs in Verwahrung: zwölf davon darfst du aufschließen und die Herrlichkeiten darin betrachten, aber die dreizehnte, wozu dieser kleine Schlüssel gehört, die ist dir verboten: Hüte dich, dass du sie nicht aufschließest, sonst wirst du unglücklich.” Gebrüder Grimm, “Grimms Märchen”, Marienkind