(…) Die Attentäter von Paris sind zwar keine Protagonisten des namenlosen Terrors. Sie morden dezidiert im Namen des Islamischen Staates, der so islamisch ist wie der Ku-Klux-Klan christlich. Man sollte generell skeptisch sein, wenn sich eine Organisation, die weltliche Ziele verfolgt, dabei auf Gott, welchen auch immer, beruft. Gott braucht keine Krieger, keine Mörder, keine Hassprediger und nicht einmal politische Parteien. (…) Die Terroristen von Paris und ihre Gesinnungsgenossen haben ein Hauptziel: Sie wollen Angst verbreiten. Sie wollen die relative Sicherheit der westlichen Wohlstandsgesellschaften stören, gar zerstören; sie wollen ihren Krieg dahin tragen, wo sie Imperialismus, Sünde, Gottlosigkeit ausmachen. Totalitäre Bewegungen dieser Art definieren rigide, wie Menschen zu leben haben. Wer anders leben will, der soll sterben. (…) Diesen Angstverbreitern kann man bis zu einem gewissen Grad polizeilich, geheimdienstlich, vielleicht sogar militärisch entgegentreten. Die Angst selbst aber lässt sich nur durch das Bewusstsein besiegen, durch die Gewissheit, dass jeder Mensch die unveräußerlichen Rechte hat, zu sagen, zu glauben und zu tun, was er will, solange er damit keinem anderen Schaden zufügt. Diese Freiheit ist kein “westlicher” Wert, sondern sie rührt her von der Einmaligkeit jedes Einzelnen. Und die Freiheit des Einzelnen ist für alle Totalitären der größte Feind. Angst verbreiten zu wollen, ist verbrecherisch; Angst politisch auszunutzen, ist verwerflich. (…)
Kurt Kister, Terror und die Folgen: Freiheit gegen Angst. Angst zu verbreiten ist ein Verbrechen, sie auszunutzen verwerflich, in Süddeutsche Zeitung vom sechzehnten November Zweitausendundfünfzehn