Marxismus-Leninismus und Dope

Siebenunddreißigeinhalb Jahre sind es nun, seit mir mit freudigem Gesicht eröffnet worden war, daß sich unser Lebensmittelpunkt fortan im Bergischen befinden werde, genauer in Wermelskirchen. In den Jahren der Berufstätigkeit befand ich mich vorwiegend nachts in diesem beschaulichen Städtchen im Norden des Rheinisch-Bergischen Kreises, tagsüber mehr in Marl oder Köln oder anderswo. Heutzutage bin ich im Dunklen und im Hellen Wermelskirchener. Und über die Jahre habe ich die politische Szenerie der Kleinstadt und ihre handelnden Personen durchaus gut kennengelernt. Hier ist das ganze Spektrum vertreten, von rechts bis links und umgekehrt. Das übliche, die Volksparteien, die Liberalen, sogar Piraten gab es mal, die Linke, ein paar versprengte Kommunisten der DKP, die rechtsnationalen und völkischen Alternativen, ein Lucke-Anhänger, ein paar Absprengungen von der CDU, die allenfalls lokale Bedeutung haben, ein paar Freischwebende. So weit, so gut. Man kennt sich hier. Wermelskirchen ist klein genug. Man kann sich nicht  wirklich aus dem Weg gehen bei den Ereignissen, die die politisch Interessierten zusammenbringen. In zweieinhalb Wochen wird im Land gewählt. Und also machen diese Parteien auf sich aufmerksam. Mit Plakaten. An den Laternen. Die der AfD liegen mitunter im Dreck. Weil sie schlecht befestigt worden sind oder abgeschlagen wurden. Die der FDP sind schrill, farblich und weil sie den Personenkult aufleben lassen. Als Liberale. Richtig schön ist kein Wahlplakat. Von keiner Partei. Und pfiffig auch nicht. Und witzig ebenfalls nicht. Das übliche halt. Werbung statt Politik. Ressentiment statt Argument. Sprüche statt Inhalten. Köpfe. Rasiert und unrasiert. Schwarz-weiß und bunt. Halt. Nein, nicht das Übliche. Durch diese kleine Stadt muß ein Pulk von Marxisten-Leninisten geritten sein, von woher auch immer kommend, die die Stadt und ihre Laternen mit Plakaten der MLPD zugepflastert haben. MLPD. Jawohl. Die gibt es hier nicht. Das muß man erst mal googeln. “Werde Teil der Rebellion“, heißt es beispielsweise nunmehr an Wermelskirchener Laternenpfählen. Rebellion? Welcher Rebellion. In Wermelskirchen? Wo kommen die her, denen sowas einfällt  und die sowas plakatieren? “Erzeugerpreise rauf – Verbraucherpreise runter.” Und das beschließt der Landtag? Seit wann? Interessant. Und für die Juristen unter uns gibt es die folgende Plakatkunstlosung: “Revolution ist kein Verbrechen! Weg mit § 129 a/b.” Nur für Kundige. Revolution. Mindestens aber Rebellion. Ich möchte das auch mal probieren. was die Marxisten-Leninisten offenbar geraucht haben. Denn ohne Dope kommt man nicht auf derartige Losungen, ohne Dope reitet man nicht in eine Stadt ein, verschandelt sie und reitet wieder raus. Nur mit Marxismus-Leninismus schafft man das nicht.

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