Norbert

Mein Freund Norbert ist gestorben. Im April schon. Und gestern erst habe ich davon erfahren. Norbert hatte verfügt, daß er keine Trauerfeier wolle, keinen Versand von Sterbeanzeigen, kein Grab, keinen Gedenkstein. Seine Asche sollte verstreut werden. Fünfzig Jahre lang waren wir verbunden. Kennengelernt habe ich ihn als Sechzehnjähriger. Eine Partei und die Arbeit für diese Partei hatten uns zusammengeführt. Ein aufrechter Demokrat, ein Streiter für Gerechtigkeit, ein Kämpfer für eine bessere Gesellschaft, unerschrocken, beharrlich. Das waren viele damals. Norbert aber war auch ein Freund. Ein unbedingter Freund. Und er blieb ein Freund, auch und vor allem, als sich unsere politischen Wege trennten. Freundschaft war ihm immer Loyalität, unumstößliche Loyalität. Wir haben gestritten, politisch, aber wir blieben die ganzen Jahre verbunden, persönlich, als Freunde. Respekt vor dem anderen, Achtung für die andere Meinung, Lust an der Debatte, Neugier, warme und grenzenlose Menschlichkeit. Das war Norbert. Und Standfestigkeit. Er hat seine Partei nicht verlassen. Auch, als sie ihm fremder wurde, unverständlicher, schräger. Mitunter hatten wir uns lange nicht getroffen, Monate lang nicht gesehen. Aber dann wars, als wären wir gestern erst auseinander gegangen. Immer. Mit einem Lachen begrüßt, mit einem Lachen verabschiedet. Norbert, ich vermisse Dich.

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