Es ist, zugestanden, bereits sehr lange her, daß ich studieren durfte. Ich habe sie genossen, diese Studienzeit. War sie doch auch der Bruch mit engen Lebensverhältnissen, der Blick in die Weite des Wissens, die Freiheit zur Selbstermächtigung, gründete sie doch manche Freundschaft für das ganze Leben und, natürlich, war sie die Grundlage für berufliche Tätigkeiten, von denen ich vor dem Studium nicht einmal allergeringste Kenntnisse hatte. Heute Abend habe ich einem wundervollen Vortrag bewohnen dürfen, online, in dem es um die jüdischen Studenten an der Universität Bonn seit ihrer Gründung Achtzehnhundertneunzehn ging, um ihre Herkunft, regional und sozial, um den aufkommenden Antisemitismus, um die ersten Frauen an der Universität, um das studentische Leben. Und in dem Kontext fiel das Wort vom Renommierhund. Dem Hund, den Studenten, männliche selbstredend, dabei hatten, wenn sie flanierten, mit offenem Hemd ohne Tuch oder Schal, lang-unbequemem Gehrock, immer mit Spazierstock und mit mitunter besonders langer Pfeife. Zu meiner Zeit gab es einen Studenten, der mit Freude den langen roten Ledermantel ausführte, weiß der Geier, wo er das Teil aufgetrieben hatte. Mit unseren Einheits-Parkas konnten wir da nicht mithalten. Die Tüte konnte ebenfalls nicht mit einer mehrere Dezimeter langen Pfeife konkurrieren und einen Renommierhund hatte seinerzeit ebenfalls niemand. Eine Studentin hatte so etwas kleines, weißes Schoßhundartiges in der Tasche. Aber renommieren? Nö. Das ging mit dieser Minitöle nicht. Der Renommierhund, das habe ich mir heute Abend von einem Historiker erzählen lassen, war ein bewährtes Mittel standesgemäßer Repräsentation. Der Renommierhund hielt, wie Richard Johannsen in seiner Schrift “Der Couleurhund” schrieb, “seinem Herrn mahnende Gläubiger vom Leibe, erheiterte ihn mitfühlend in trüben Stunden und unterhielt ihn oder die ganze Corona durch allerlei Kunststücke. Entsprechend der Neigung zur Repräsentation wurden eindrucksvolle, große Rassen bevorzugt: Neufundländer, Bernhardiner, Leonberger und vor allem, nach dem Vorbild des Reichskanzlers bzw. Altreichkanzlers, Dänische oder Ulmer Doggen, für die sich der Name „Bismarckdoggen“ einbürgerte”. Das Ganze diente der Abgrenzung vom Normalen und der Provokation. Nicht grundlegend anders also als der rote Ledermantel oder das weiße Schoßhündchen im Studiertäschchen. Mit anderen Worten: Wir waren nicht besser, nicht einmal wirklich anders als die Studentengenerationen vor uns, nicht einmal die zu Beginn oder in der Mitte des vorvorletzten Jahrhunderts. Was ist Tragödie, was die Farce?
Tag: 10. Juni 2021
Kicker-Krösusse ohne Demut
Was lese ich da soeben bei den Ruhrbaronen? Der Deutsche Fußballbund, seit Jahren nicht mehr frei von veritablen Skandalen und Skandälchen erhöht die Prämien für die Nationalspieler im Falle eines Sieges bei der morgen beginnenden Fußball-Europameisterschaft. Mit ganzen vierhunderttausend Euro Prämie würde jedem Spieler die Europameisterschaft vergoldet, das sind immerhin einhunderttausend Euro mehr, als die keinesfalls bedürftigen Ballkünstler für die Krone der Turniersiege, die Weltmeisterschaft im Jahr Zweitausendundvierzehn erhielten. Das richtige Zeichen der Kicker-Krösusse an die Künstler und Kulturschaffenden beispielsweise, die wegen der Pandemie ein Jahr und länger von jeder Geldquelle abgeschnitten waren und sind? Ein Zeichen auch an die vielen, die mit Kurrzarbeitergeld über die Runden kommen müssen, und jene, die Mühe haben, Mieten zu zahlen oder Kredite zurückzuführen? Beim Fußballbund passt nichts mehr wirklich in die Zeit. Demut scheint zum Fremdwort geworden zu sein in der Zeit der abkippenden Neuner, der halboffensiven Sechser oder des Pressings gegen den Ball. Schräg.