(…) Beatrix von Storch in Reizwäsche
Nächsten Sonntag dann also wählen. Wird auch Zeit. Schließlich sind in Folge des warmen Spätsommers viele dieser Plakate mit lächelnden Gesichtern oder/und nichtssagenden Sprüchen an den Laternenpfählen inzwischen auf Augenhöhe gerutscht und auf ohnehin nicht breiten Gehwegen im Viertel zum echten Verkehrshindernis geworden. Vielleicht könnten sie demnächst statt Kabelbinder mal Draht verwenden. Dehnt sich bei Wärme nicht so aus. Oder diese ganze alberne Stadtvermüllung ganz lassen. Oder kennt irgendwer irgendwen, dessen Stimmabgabe mal durch so ein Plakat beeinflusst wurde? Vielleicht, wenn Beatrix von Storch sich mal in Reizwäsche ablichten ließe. Aber das möchte doch auch niemand sehen. Letztens kam mir ein Einzel-Wahlkämpfer am Waidmarkt auf dem Rad entgegen. Er hatte einen Anhänger dabei, der nach Marke Eigenbau aussah, und darauf hatte er ein großes Plakat montiert, das für die FDP warb, ohne dass Christian Lindner darauf abgebildet war. Ich wusste gar nicht, dass die Partei solche Werbeträger überhaupt hat. Ob der Mann auf dem Rad nun ein eifriger Sympathisant, ein angestellter Mini-Jobber oder ein Kölner Kandidat höchstselbst war, weiß ich nicht. Aber vermutlich wird auch er froh sein, wenn der Kampf am Sonntag ein Ende hat.
Deutsch für DeutscheDer Dame und den beiden Herren, die ins Kanzleramt wollen, dürfte es kaum anders gehen. Seit Wochen tagsüber im Bus durch die Pampa schaukeln und auf Marktplätzen oder in Gemeindesälen die immer selben Reden halten – da hat der Spaß doch schon lange aufgehört. Und abends dann noch vor die Kameras. Vor rund zehn Jahren gab es höchstens zwei solcher Duelle im Ersten und im ZDF. Doch seit die Privaten Sender (mal wieder) eine Info-Offensive ausgerufen haben, gibt’s gleich drei Ausgaben dieser Redeshows. Und zwischendurch nahezu jeden Abend irgendwo ein Format, in dem Politiker Bürgerfragen beantworten sollen oder sich von Kindern über die Gefahren des Rauchens aufklären lassen müssen. Sehenswert wird sowas allenfalls, wenn Nachwuchsreporter auf ein schlichtes Gemüt wie AfD-Spitzenkandidat Tino Chrupalla treffen, der das „deutsche Kulturgut“ retten möchte. Auf die Frage, was das denn sei, antwortete der Mann: „Wir möchten, dass wieder mehr deutsche Volkslieder gelehrt werden, dass deutsche Gedichte gelernt werden. Dass wir auch unsere deutschen Dichter und Denker wieder mehr in den Schulen würdigen.“ Jawoll! Zu dumm nur, dass dem Denker Chrupalla auf Nachfrage nicht ein einziges Gedicht einfallen wollte. (…)
Reinhard Lüke, Bart-Shampoo für Dichter, in: Meine Südstadt