“Layla” ist einer der bezauberndsten und beliebtesten arabischen Frauennamen. Er sieht ebenso schick mit i wie mit y aus, macht sich gut mit e oder a, und bedeutet “Nacht”, oder “schönste aller Nächte”. Dass der Name sich mit viel gutem Willen und einem wackeligen Reimverständnis auf “geiler” reimt, dafür kann er nichts. Jenes wackelige Reimverständnis hat vor einer Weile auch ein DJ-Duo namens “DJ Robin & Schürze” bewiesen, und auf dem Sampler “Ballermann Hits Zweitausendzweiundzwanzig” ein harmonisch und musikalisch recht dürftiges Tanzlied namens “Layla“ veröffentlicht, vier Akkorde im Vier/Viertel Takt, viel Refrain, Kirmestechnosound. Vor ihn wurde auf der CD ein Stück namens “Kopfweh” von “Frenzy Blitz” kompiliert, ihm folgt “Unten Kommt Die Gurke Rein” von einer Band namens “Die Sacknähte“. (Weil ich zuweilen meinen Augen nicht traue, habe ich “Die Sacknähte” recherchiert: Es handelt sich um den DJ Namen der Podcaster-Comedians Tommi Schmitt und Felix Lobrecht, das tut eigentlich hier nichts zur Sache, ich wollte nur wissen, welche Art Humor man für einen solchen Bandnamen generieren muss. Ist nicht ganz meiner, aber ich bin ja auch schon ÜAchtzehn und gehe zum Lachen ins Tiefparterre der Super-Emanzen.)
Jenni Zylka, Schöner, jünger, geiler, in: Altpapier
Monat: Juli 2022
Verstummt
Eine Lungenerkrankung mit einer Reihe von Krankenhausaufenthalten und dann, seit Zweitausendundzwanzig, Corona. Mit allen Lockdowns, allen Virenvarianten, allen Impfungen und in dem Wissen, daß man sich als Lungengeschädigter älterer Herr besser nicht infiziert, da Covid-2 durchaus problematisch für mich und die Gruppe Gleichgeschädigter verlaufen kann. Die Folge: Anders als im vorpandemischen „Vorleben“, trage ich fast überall eine Maske und meide Menschen, soweit sie in kleineren und größeren Gruppen auftreten. Keine Versammlungen, keine Konzerte, keine Diskussionsrunden, keine Stadtratssitzungen, keine Feste, keine Kneipenbesuche, keine Familienfeiern. Treffen fast ausschließlich digital, über Zoom & Co. oder Jitsy Meet. Gleichsam ein Leben in der heimischen Eremitage. Ich bin nicht wirklich und nicht gerne Eremit, Einsiedler. Denn mir fehlen, wie anderen Menschen auch, die Gespräche, Umarmungen, die Nähe, der Spaß in Gemeinschaft, auch die dosierte Trunkenheit. Das Telefon, Facetime, Zoom sind allenfalls dürre Abstraktionen direkter Kommunikation. Abstraktionen indes, auf die in diesen Zeiten erst recht nicht verzichtet werden darf. Ohne all das, ohne Telefon und Tablet und Computer wäre das zurückgezogene Leben im Haus in der Hagenstraße wirkliche Einsiedelei. Auch die technisch vermittelten Begegnungen sind Begegnungen, wenn auch anderer Art, sind zudem oft Zuwachs an Kenntnissen und Informationen. Mehr noch: Diese Technologie hat mir in den vergangenen Monaten die eine oder andere bereichernde Begegnung verschafft, Seminare, politische und gesellschaftliche Debatten, Foren und Gesprächsrunden in den Weiten der Republik, die ich analog niemals hätte besuchen können oder wollen. Zoom & Co. verhindern auf ihre Weise wirkliche Einsamkeit. Man verstummt weitgehend in dieser selbstgewählten Isolation. Die gesprochene Sprache wird nicht wirklich ausdauernd gepflegt und trainiert. Aber Quarantäne macht nicht schon an sich einsam. Allein: Der Wunsch nach Begegnung, nach Körperlichkeit, nach Nähe, auch Lautstärke bleibt, nach Thekenpalaver, nach Musikern auf Bühnen, guten Gesprächsrunden, in denen Meinungsunterschiede friedlich streitend ausgefochten werden können, im unmittelbaren Angesicht des Antipoden. Ich bedaure nicht und klage nicht. Meine Lage ist selbstgewählt. Und verantwortlich ist ein Virus. Mehr nicht und nicht weniger.
Einsicht
Wer die Klimakrise erfolgreich bremsen will und zugleich Gas einsparen möchte, muss viele Dinge gleichzeitig tun. Gebäude dämmen, Heizungen neu einstellen, langsamer Auto fahren, zu schwere Autos stehen lassen, bei Neubauten Solardächer zur Pflicht machen, die Industrie auf Energieeffizienz trimmen und und und. Bei vielen dieser Maßnahmen steckt der Teufel im Detail und deswegen eignen sie sich wenig für große Aufmacher. Oder haben Sie schon einmal eine Schlagzeile in den Boulevardmedien über Wärmepumpen gelesen?”
Petra Pinzler, Zeit Online, zitiert nach: René Martens, Altpapier
Wegducken und Ablenken
Es gibt, wenn man selbst nicht liefert, zwei Methoden: Erstens wegducken und hoffen, dass es nicht auffällt. Das macht Wissing. Zweitens ablenken. Das macht der Rest der FDP. Denn statt sich auf eine Debatte über die verkehrte Verkehrspolitik einzulassen, sprechen Liberale immer wieder ein anderes Thema an, und zwar mehr oder weniger so: Ach nee, jetzt nervt mich nicht mit eurem Klimakram – stellt einfach die AKWs wieder an. Dann hat sich der Film.
Petra Pinzler, Zeit Online, zitiert nach: René Martens, Altpapier
Der Erfinder des “Literarischen Quartetts” ist tot
Die aktuelle Übung (…), potenzielle Leserinnen und Leser wie arme Herumirrende durch alle Arten von Niveau-Limbo ‘abzuholen‘, (…) kam nicht in Frage.”
Im Alter von 74 Jahren ist in München der Kulturjournalist und Historiker Johannes Willms gestorben, der beim ZDF unter anderem von 1988 bis 1992 die “aspekte”-Redaktion und später, von 1993 bis 2000, das Feuilleton der “Süddeutschen Zeitung” leitete (und danach als deren Frankreich-Korrespondent wirkte). Der Nachruf von Alexander Gorkow und Nils Minkmar in eben dieser Zeitung ist auch ein Rückblick auf einen Kulturjournalismus, den es im Fernsehen kaum noch gibt: “Der 1948 in Würzburg geborene Sohn eines Richters begriff den Kulturjournalismus im Fernsehen und in der Zeitung als einen Dienst an der Öffentlichkeit – und nicht als Gelegenheit zum Ausweis elitärer Kompetenzen oder Rechthabereien. Dabei setzte Johannes Willms schlicht voraus, dass sich kluge Menschen nun mal für Geschichte und Literatur interessieren, ja begeistern – einfach weil sie Bürgerinnen und Bürger in Karl Poppers offener Gesellschaft sind, der Republik (…) Die aktuelle Übung (…), potenzielle Leserinnen und Leser wie arme Herumirrende durch alle Arten von Niveau-Limbo ‘abzuholen‘, (…) kam nicht in Frage.” Ähnlich der Tenor in Claudius Seidls Text für die FAZ: “Wie optimistisch Willms (…) sowohl sein Medium wie auch die Kultur betrachtete, bewies er in den späten Achtzigern. Es war Willms, der sich das ‘Literarische Quartett‘ ausdachte. Es war er, der Marcel Reich-Ranicki überredete, dessen Leitung zu übernehmen. Und als Reich-Ranicki die Bedingung stellte, dass nichts, keine Einspielfilmchen, kein Bühnenschnickschnack, von den Worten ablenken dürfe, war es Willms, der ganz auf Reich-Ranickis Qualitäten als Performer vertraute.” Ungewöhnlich, zumindest aus heutiger Sicht, war Willms beruflicher Weg ja insofern, als er vom ZDF zur “Süddeutschen Zeitung” wechselte – in Zeiten, als es Zeitungen viel besser ging als heute. Inzwischen ist es ja eher so, dass Leute, die bei den Öffentlich-Rechtlichen in leitenden Positionen sitzen, so stark vom Apparat geformt oder verformt sind, dass sie nur noch selten für journalistische Arbeit außerhalb dieses Systems in Frage kommen.
René Martens, Die Charlie-Brown-Rolle der Medien, in: Altpapier
Ach, wie blöd
Seit zweiundzwanzig Jahren herrscht Putin über Rußland. Achtzehn Jahre davon als „Präsident“, vier als Ministerpräsident. Die Bezeichnung Präsident alleine kennzeichnet ein politisches System noch keineswegs als Demokratie. Der autoritäre Herrscher Putin soll nunmehr aber, wenn man der nationalistisch-populistischen Liberaldemokratischen Partei (LDPR) Rußlands glauben kann, mit der Bezeichnung „Herrscher“ ausgestattet werden. Das berichtet der Merkur. Der Begriff „Präsident“ in Russland sei noch nicht „vollständig verwurzelt“, schreibt die staatliche Nachrichtenagentur Ria Novosti. In den Augen der LDPR grenze man sich mit der russischen Bezeichnung „Pravitel“ (Herrscher) auf diesem Wege auch von den USA ab, die ihr Staatsoberhaupt seit jeher Präsident nennen. In der Begründung heißt es weiter, man wolle von einer aus einer Fremdsprache stammenden Berufsbezeichnung wegkommen – in diesem Fall Französisch beziehungsweise Latein. Vor zwei Jahren noch wurde dieser obskure Vorschlag in der Duma, dem Parlaments-Substitut in Moskau, abgelehnt. Mit der politischen Bildung der Bevölkerung kann es nach mehr als dreißig Jahren autoritärer Herrschaft von Jelzin und Putin, nach mehr als neunzig Jahren Diktatur der Bolschewisten, nach jahrhundertelanger Herrschaft von Klerus und Zaren nicht sehr weit her sein. Daß aber die Eliten des Landes zu einem derartigen Vorschlag samt kruder Begründung greifen, läßt mich dennoch schaudern.
To Love Somebody
Hard to be alone
Made my day
Unter der Zwischenüberschrift „Wer träumt nicht vom Brautstrauß?“ zitiert das heutige „Altpapier“ des Mitteldeutschen Rundfunks die „Bunte“, in der sich deren ehemalige Chefredakteurin, Patricia Riekel, zur Lindner-Lehfeldschen-Drei-Tage-Promi-Hochzeit äußert:
“Der Höhepunkt jeder Hochzeit ist nun einmal der Einzug der Braut in die Kirche. Ja, ein Kleinmädchentraum, den auch eine Powerfrau wie Franca Lehfeldt träumt. Mit weißem Kleid, Brautstrauß, dem Versprechen für immer und ewig vor Familie und Freunden.”
„Ach Gottchen“, kommentiert darob die heutige Altpapierautorin, Jenni Zylka, „die Powerfrau mit dem Kleinmädchentraum. So sind sie wohl, die Weibchen, das mit dem weißen Kleid und den Blumen steckt tief in ihrer romantischen Seele drin. Und wo wir gerade bei Sentimenten sind: Später nannte Olaf Scholz in seiner Rede bei den anschließenden Feierlichkeiten Sylt einen Sehnsuchtsort, schreibt Riekel. Mal sehen, ob das die momentan etwas angeschlagene Inselpublicity rettet.“