Sozialtourismus. Ein gefühlloses Wort, das, wie einst schon die Leitkultur, nichts erhellen soll, nichts klären, nichts kommunizieren, nichts deutlich machen. Friedrich Merz, der „Schöpfer“, will nicht ins Gespräch kommen, sondern auf gemeinste Weise Unfrieden stiften, die Gesellschaft spalten, Ressentiments schüren, Stimmung machen. „Die Konservativen gleiten ab in Banalität und Bösartigkeit.“ So überschrieb die Süddeutsche Zeitung neulich die Kolumne von Carolin Emcke, der mehrfach ausgezeichneten Publizistin. Und Emcke fährt fort: „Mal angenommen, die CDU/CSU verstünde sich als christliche Partei mit einem ‚zeitlosen Wertefundament‘, wie sie es selbst in der Grundwertecharta formuliert, mal angenommen, sie würde ihren eigenen normativen Kern, den Begriff der Verantwortung, wirklich ernst nehmen, dann müsste sie prädestiniert sein für die Krisenhaftigkeit dieser Zeit. Die konservative Idee lebt von dem Versprechen des Stabilen, der Bewahrung dessen, was unantastbar bleiben soll, ganz gleich, was sonst verwandelt wird. Ob der russische Vernichtungskrieg in der Ukraine und die Energiekrise, ob die Klimakatastrophe und Zerstörung der dem Menschen lediglich anvertrauten Natur, ob die weltweite Erschütterung durch totalitäre Regime, sie alle könnten einladen zu einer Vertiefung oder Erweiterung der Idee der Verantwortung. Die Krisen enthalten gute Gründe, die sich konservative Parteien zu eigen machen könnten, wenn sie ambitioniert und wahrhaftig für ihre Werte einstehen wollten. Ja mehr noch, wenn sie ihre eigenen Werte auch dem Stresstest der Wirklichkeit unterziehen, wenn sie sie da einsetzen wollten, wo sie gebraucht werden.“ Eine Annahme, leider, die von Merz & Co. hintertrieben wird. Im Gegenteil verstümmeln die Merz’ und Söders Bürgerlich-konservatives und „führen ins demokratisch-intellektuelle Nirwana eines Kulturkampfs, der die Kultur, die zu verteidigen er behauptet, kaum mehr kennt.“ Emcke verweist auf das historische Versagen anderer konservativer Parteien, ob in den Vereinigten Staaten oder im Vereinigten Königreich, in Frankreich oder Italien, die „nur noch zwischen Banalität und Bösartigkeit zu pendeln vermögen“, aber nicht mehr mit substantiellen politischen Konzepten zu überzeugen wüßten. Sozialtourismus, eine Vokabel, die allenfalls zum Denk- und Sprachgebäude der Banknachbarn der Konservativen im Deutschen Bundestag, den Rechtsnationalisten, den Völkisch-Gestrigen, gehört, erfährt mit Hilfe ebenfalls gestriger Konservativer eine eigentümliche Konjunktur. „Sobald die konservativen Parteien sich von rechtspopulistischen, neofaschistischen Bewegungen oder Figuren treiben lassen, sobald sie das Rationale als definitorischen Gegner ausmachen, leiten sie ihren eigenen Niedergang ein. Der rechte Rand diktiert die Themen, die langfristig die Mitte ihres bürgerlichen Gewissens und ihrer aufgeklärten Prinzipien beraubt, es reichen dann schon Trigger-Begriffe, keine Argumente, “Genderideologie”, “Zwangsgebühren”, “Sprachpolizei”, und so begeben sich die konservativen Parteien ins Abseits eines Diskurses, der sie immer weiter von sich selbst entfernt.“ Soweit noch einmal die Kolumnistin Carolin Emcke. Die Konservativen müssen dieses Abseits verlassen, denn es geht um mehr als das alltägliche Ranking, um den kleinen Vorsprung im Tageskampf politischer Strömungen, das Scharmützel um die knalligsten Überschriften in Funk und Presse. „Ob es autoritären, neofaschistischen Bewegungen und Parteien gelingt, in Europa die Demokratien auszuhöhlen, steht und fällt mit den konservativen Parteien. Wenn sie sich nicht abgrenzen, wenn sie sich nicht selbst ernst nehmen, wenn sie zur anti-rationalistischen Denkbewegung mutieren, dann schaffen sie sich selbst ab“, warnt Emcke. Es reiche „eine demokratische Gesinnung, um sich eine bürgerliche und konservative Partei zu wünschen“, man müsse nicht selbst konservativ sein, um sich die bürgerlich-konservativen Parteien als bürgerlich-konservativ zu wüschen. Die Schöpfung lasse sich nicht bewahren ohne entschiedene Anstrengungen zur Vermeidung der Klimakatastrophe und zur Durchsetzung der Energiewende. „Wer den Wohlstand bewahren will, könnte die Ungleichheit am dringlichsten bekämpfen. Wer Zukunftskompetenz beweisen will, könnte eine postfossile Verkehrspolitik vorantreiben. Wer sich auf christliche Nächstenliebe beruft, wer will, dass Menschen frei und selbstbestimmt leben, könnte die Rechte von trans Personen als erste verteidigen.“ Ja, auch ich wünsche mir eine derart verstandene bürgerlich-konservative Kraft, die Pöbelei und Populismus jenen überläßt, die nicht konservativ sind, sondern reaktionär, völkisch-nationalistisch oder rechtsextrem.