Gereizter Münchener Professor

Wer gereizt agiert oder reagiert, wird oft als unsouverän wahrgenommen, aber die Frage ist natürlich, ob sich bei bestimmten Themen eine gewisse Gereiztheit gar nicht mehr vermeiden lässt. Um es mit dem “Spiegel”-Kolumnisten Christian Stöcker zu sagen: “Wer nicht verwirrt oder desinformiert ist, muss langsam zwangsläufig gereizt werden. Dieses ständige mit-bräsigem-Grinsen-angelogen-Werden zermürbt auch den geduldigsten Faktenfreund.”

Der Anlass dieser Äußerung: Thomas Langkabel, der National Technology Officer von Microsoft Deutschland, hatte in einem Tweet verständnisvoll gefragt, ob in einem neuen Video zum Thema E-Fuels, das der ZDF-Mann Harald Lesch für sein Online-Format “Terra X. Lesch und Co.” produziert hat, nicht eine “leichte Gereiztheit” auszumachen sei. Diese Gereiztheit trägt allemal dazu bei, dass Lesch zu großer Form aufläuft (auch wenn sein Text oft geschnitten wurde), es empfiehlt sich, ab der elften und 17. Minute mal für längere Zeit reinzuschauen. Lesch argumentiert unter anderem, dass der bei einem Elektroauto genutzte Strom einen “Wirkungsgrad” von 70 Prozent habe, dieser bei einem mit E-Fuels betriebenen Auto aber nur bei 13 Prozent liege, schließlich müsse der Strom, mit dem man ein E-Auto direkt betreiben kann, erst einmal dafür genutzt werden, um E-Fuels überhaupt herstellen zu können. Der Begriff “Technologie-Offenheit” gehöre in diesem Kontext in die Kategorie “Verarschung”: “Wenn ich einen Prozess habe, der so viel besser ist als ein anderer, dann werde ich mich doch nicht ‘offen’ – mit offenen Augen – für den schlechteren entscheiden.” Leschs Fazit lautet: “Diese E-Fuel-Debatte, so wie sie aktuell geführt wird, (basiert) gar nicht auf wissenschaftlichen Fakten (…)”

Beziehungsweise:
“Die Diskussion über E-Fuels ist einer der charakteristischen Fälle, wo jemand versucht oder wo viele versuchen, (…) aus unerfindlichen Gründen naturwissenschaftlich grundlegende Ergebnisse einfach wegzudrücken – so ein bisschen nach dem Motto: Diese Physik, (…) wie können wir sie umgehen? Wir können wir drumrum kommen?”

Lesch, der, wenn er nicht Fernsehen macht, Astrophysik an der Ludwig-Maximilians-Universität München lehrt, prangert hier also einen neuen Fall der in gewissen Kreisen ja sehr populären Wissenschaftsleugnung an. Während Lesch die Gründe dafür, dass Menschen glauben, die Physik umgehen zu können, im sarkastischen Tonfall “unerfindlich” nennt, formuliert es der schon erwähnte Christian Stöcker in seiner aktuellen “Spiegel”-Kolumne etwas anders: “(Dass) wir (…) überhaupt über ineffiziente Lösungen wie (…) E-Fuels für Autos diskutieren, (…) hat vor allem einen Grund: Es gibt Branchen, die ein großes Interesse daran haben, dass weiterhin Sachen verbrannt werden. Und es gibt Politikerinnen und Politiker, die diesen Branchen weiterhin gern zuhören und ihre Interessen vertreten.”

René Martens, Ein neuer Fall von Wissenschaftsleugnung, in: Altpapier

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.