Schlagwort: Angela Merkel

Duracellkanzlerin

Wer das weitgehend verlorene Körpergefühl bei Kindern und Kleinkindern beklagt, ihre nicht mehr zureichend ausgebildeten oder entwickelten körperlichen und motorischen Fähigkeiten, der hat unsere Kanzlerin noch nicht beim Jubel über ein Tor der deutschen Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft im Fernsehen beobachtet. Die Arme hochrecken, ganz hochrecken, das können Kinder und Kleinkinder allemal. Die Kanzlerin hingegen sieht aus, als stemme sie eine imaginäre Hantel aus Pappe mühsam in Stirnhöhe, wenn sie jubelt. Und wenn sie in die Hände klatscht, sieht man förmlich eine Widergängerin der Duracelläffchen. Nein, eine Sportveranstaltung ist keine natürliche Umgebung für unsere Kanzlerin. Es sei denn, es handelte sich um eine Rehabilitationskur.

Besserwisserkapitalismus

Ganz nett, gestern in Spiegel Online:

Der moralische Besserwisser-Kapitalismus der Kanzlerin stößt an seine Grenzen: Bloße Sparsamkeit dürfte verschuldeten Staaten wie Griechenland wohl kaum zu neuem Wohlstand verhelfen. Und auch Deutschland selbst muss mehr tun, als sich nur als Exportweltmeister feiern zu lassen. Ideologen sind Menschen, die sich die Wirklichkeit nach ihren Ideen formen. In diesem Sinn ist Angela Merkel, die gern als Pragmatikerin bezeichnet worden ist, Europas führende Ideologien. “Half-truth”, so nennt der “Economist” das, was Merkel sich und Europa erzählt, Halbwahrheiten, die dann auch halbe Lügen sind und viel damit zu tun haben, wie Merkel die Dinge sehen will, und wenig damit, wie die Dinge sind. “Die deutsche Halbwahrheit ist”, so analysiert der “Economist” die anhaltende Verblendung Merkels, “dass die Probleme der Euro-Zone gelöst werden, indem die verschuldeten Staaten durch Sparen zurück zu Wohlstand finden.” Sparen also, die Ideologie dieses protestantisch-moralischen Besserwisser-Kapitalismus, wie ihn Merkel praktiziert, gegen den Rat des pragmatisch-liberalen “Economist”, gegen den Rat so gut wie aller amerikanischen und auch sonstigen Ökonomen, gegen fast alle anderen europäischen Staaten und auch gegen den 77-jährigen Rentner, der sich auf dem Syntagma-Platz erschießt, weil er nicht ohne Würde leben will. (…) Es geht, im tieferen Kern dieser Krise, um diese Geschichten, die wir uns erzählen, weil wir an sie glauben wollen. Europa ist so eine Geschichte, und wie Tausende Jahre später immer noch daran appelliert wird, dass Griechenland doch die “Wiege Europas” sei und schon deshalb zum Euro gehört. Das ist schon nicht mehr lächerlich, sondern tragisch – wenn es nicht nur politisch kalkuliert ist. Auch der Kapitalismus ist so eine Geschichte, die davon handelt, dass Wohlstand alles ist, wonach der Mensch strebt – in letzter Zeit, so ist die gängige Form der Geschichte, ist das nicht mehr auf der Ebene der Staaten möglich, man nennt das Globalisierung. (…) Es sind die kulturellen Wurzeln des Euro-Debakels, die in diesen Geschichten deutlich werden – und es gibt natürlich noch ein paar andere Halbwahrheiten in dieser Krise, in diesem Kontinent, der vor allem erst einmal als Geschichte bestand, nicht als Realität: die vom französischen Laisser-faire, von der deutschen Sparsamkeit, vom italienischen Schlawinertum. Aber diese Geschichten bringen nichts. Deutschland etwa, da sind sich die meisten Ökonomen einig, kann so nicht weitermachen, sich als Exportweltmeister zu feiern: Es muss mehr Inflation wagen, mehr Konsum wagen, weniger Sparen wagen. “Like some dreadful joke”, schreibt der “Economist”, “the Euro needs French reform, German extravagance and Italian political maturity.” (…) Das Europa jedenfalls, von dem wir sprechen, hat sich von einem ideellen Projekt, falls es das auf politischer Ebene wirklich jemals war, in ein ökonomisches Projekt verwandelt, das Reden über Europa wird dadurch bestimmt, das Denken, das Handeln. Und vielleicht ist das ja gar nicht so schlecht, vielleicht ist das sogar ein Anfang.

Referendum

Grotesk: Unser Kanzlerin schlägt den Griechen eine Volksabstimmung, ein Referendum über den Verbleib in der Eurozone vor, das parallel zur Parlamentswahl im Juni durchgeführt werden soll, wie Spiegel Online meldet. Wieviele Wochen sind es her, daß der Ministerpräsident Papandreou eine Volksabstimmung vorgeschlagen hat? Sechs? Sieben? Und hernach wurde er geschaßt ob seines Vorschlages. Und jetzt kommt der gleiche Vorschlag aus dem Kanzleramt. Kein Wunder, daß normale Menschen Politik nicht mehr verstehen. Und warum sollten nur die Griechen wählen? Warum will die Kanzlerin nicht, daß auch die Deutschen wählen? Ist ihr das zu gefährlich? Könnten sich nicht auch die Deutschen gegen den Verbleib in der Eurozone aussprechen. Vielleicht ist sie doch nicht so clever, unsere (Ab)Kanzlerin.

Merkollande

Da hat ihr der französische Wähler eine neue Freundschaft beschert und den Präsidenten weggekärchert. Die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, wird sich vom ungarischstämmigen Adelssproß trennen müssen und mit dem Sozialisten Francois Hollande anbandeln. Im Interesse Europas, im Interesse auch Deutschlands. Was kümmert uns unser Geschwätz von gestern. Der Wähler ist halt klüger als Parteien und Politiker. Links und rechts des Rheins. In Frankreich und in Deutschland.

Der Demokratielehrer

Ein “Demokratielehrer” soll er sein, so Frank-Walter Steinmeier und Angela Merkel unisono über Joachim Gauck, den werdenden Bundespräsidenten. Nun, das werden wir erst noch sehen. Und ob die zehn Jahre in seiner Berliner Behörde eine Lehrzeit waren in Sachen Demokratie, bleibt fraglich. Jedenfalls hat die “Behörde” nicht unbedingt zum inneren Frieden des Landes beigetragen. Auffällig jedenfalls finde ich, daß die Medien, Zeitungen und Zeitschriften des Landes, anders, als etwa in Blogs oder anderen Veröffentlichungen zu lesen ist, unglaublich handzahm mit Gauck umgehen, milde, gütig, sanft, nachdem der gewesene Präsident ja regelrecht zerfleddert worden ist, mit Häme übergossen, verstoßen, von den gleichen Medien. Als lägen Welten zwischen zwei Präsidenten mit ähnlich konservativen Grundpositionen. Wer Lübke ausgehalten hat oder Carstens, wird auch Gauck ertragen können. Also wählt ihn. Aber macht Schluß mit dem Hype, mit der Gauckmania. Auch Gauck hat eine kritische Begleitung verdient.

Verblödung und Unterforderung

“Selten wurden die zwei zentralen Prinzipien der deutschen Mediendemokratie – Verblödung und Unterforderung – so offenbar wie hier in der harmonischen Zusammenarbeit von Politiker und Moderator. Unversehens geronn die europäische Krise, die nicht zuletzt durch deutsches Zutun ihre Zuspitzung erfahren hat, zu einer kurzweiligen Lach- und Sachgeschichte. Hätte Jauch die Arbeit eines Journalisten gemacht, hätte er die Kanzlerin nach dem deutschen Beitrag zur europäischen Krise befragt, nach dem Zusammenhang zwischen dem phänomenalen deutschen Exportüberschuss und dem Defizit der EU-Partner. Und er hätte über den Lohnverzicht gesprochen, der den deutschen Arbeitnehmern aufgezwungen wurde und der ihre europäischen Kollegen in die Arbeitslosigkeit getrieben hat. Es liegt allerdings die Vermutung nahe, dass Jauch der beliebteste Moderator des Landes ist, weil er diese Fragen nicht stellt.” (Jakob Augstein im Freitag vom 29. September 2011 unter dem Titel: “In der gläsernen Fabrik” zum einstündigen Gespräch zwischen Günther Jauch und Angela Merkel / www.freitag.de)

Endlich abgeknallt

Da will man doch seinen Ohren nicht trauen. “Ich freue mich darüber, daß es gelungen ist, Bin Laden zu töten.” Diesen Satz  formulierte gestern nicht ein beliebiger Terrorismusexperte oder Journalist, ein Irgendjemand bei einer Straßenbefragung, ein Niemand ohne jede politische Bedeutung. Nein, diesen Satz sprach die Bundeskanzlerin in die Mikrophone der deutschen und der Weltpresse, also ein Verfassungsorgan.  “Heute ist ein guter Tag.” Mit dieser Formulierung assistierte ihr Guido Westerwelle, der Bundesaußenminister, gleichfalls nicht nur Privatperson oder Parteipolitiker, sondern Träger eines in der Verfassung verankerten Amtes. Haben die führenden Politiker wirklich so gar kein Gespür mehr für politische Semantik? Ich freue mich darüber, daß der Terrorist Bin Laden endlich abgeknallt worden ist und deshalb ist heute ein schöner Tag.  Niemand wachen Sinnes, niemand mit intakter politischer Moral wird Sympathien für Bin Laden hegen, hegen können. Das aber gestattet noch keineswegs diese unerhörte Verschluderung der politischen Sprache. Kirchenvertreter haben darauf hingewiesen, daß es kein schöner Tag ist, wenn ein Mensch stirbt.  Man kann und darf und muß womöglich der Hoffnung Ausdruck geben, daß der Terrorismus geschwächt worden ist durch den Tod von Osama Bin Laden. Aber Freude über die Tötung ist etwas anderes. “Die unmittelbare Wirklichkeit des Gedankens ist die Sprache” schrieben einst, 1845, Karl Marx und Friedrich Engels. Jedenfalls Frau Merkel sollte davon schon einmal gehört haben. Wem Marx oder Engels nicht gefallen sollten, dem sei Samuel Johnson empfohlen, englischer Gelehrter, Dichter und Kritiker und nach William Shakespeare der meistzitierte englische Autor: “Die Sprache ist die Kleidung der Gedanken.” Jene, die derart unbedacht formulieren, nehmen zugleich immer die christlich-jüdisch-abendländische Kultur und Geschichte für sich in Anspruch. Das kann aber in diesem Fall kaum mehr sein als das alttestamentarische “Auge um Auge und Zahn um Zahn”. Geistig-politische Wende. Wie armselig.

“Eiskalter Winter”

Michael Spreng ist Publizist, regelmäßiger TV-Talkshowgast, Medien- und Kommunikationsberater, Konservativer aus Überzeugung, war Journalist unter anderem bei der Welt, der Welt am Sonntag, Bild, Bild am Sonntag und Express sowie Berater von Edmund Stoiber und Jürgen Rüttgers – kurzum: Michael Spreng hat einen famosen konservativen Background. Unter dem Titel “Merkels Zigeuner” hat Spreng seinen jüngsten Sprengsatz gezündet. Im Original, ohne Streichungen oder Kürzungen:

Jetzt scheint auch Angela Merkel ihre Zigeuner gefunden zu haben. Was Nicolas Sarkozy die “Gitans” sind, sind Schwarz-Gelb offenbar die Hartz-IV-Empfänger. Sie werden zwar nicht ausgewiesen, aber abgeschoben – tiefer ins Ghetto der sozial Ausgegrenzten. Das System aber ist dasselbe, wie die provokative 5-Euro-Erhöhung zeigt: man spielt mit den Vorurteilen und Ressentiments gegen Minderheiten, die sich nicht wehren können (die wollen doch gar nicht arbeiten, die leben doch nur auf unsere Kosten), um Stimmen zu gewinnen.

Wie die Umfragen zeigen, funktioniert das: 56 Prozent sind überhaupt gegen eine Hartz-IV-Erhöhung, bei den CDU/CSU-Anhängern sogar 61 Prozent. So werden Vorurteile verfestigt: die machen es sich in “spätrömischer Dekadenz” in der sozialen Hängematte bequem. Das beweist auch der perfide Trick mit der Herausrechnung der 19 Euro für Tabak und Alkohol. Recht so, sagt der Stammtisch beim fünften Bier, die sollen sich nicht auch noch auf Staatskosten besaufen und ihre Lunge verpesten.

Dass der Betrag eine rein statistische Größe ist und von vielen Familien für tausend andere Sachen gebraucht wird als für Bier und Zigaretten, spielt dabei keine Rolle. Der offenbar gewünschte Eindruck bleibt: Schwarz-Gelb macht endlich Schluss mit der Sucht auf Staatskosten.

Es ist ein ziemlich schäbiges Spiel, das da auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen wird. Die meisten von ihnen haben sich die Finger mit Bewerbungen wund geschrieben und würden lieber gestern als heute wieder arbeiten. Nur weil es eine Minderheit gibt, die Hartz IV ausnutzt und nicht arbeiten will, werden die unverschuldet Arbeitslosen und Arbeitssuchenden mit ihnen in einen Topf geworfen. Gleichzeitig werden ihnen mit dem Sparpaket die Beiträge zur Rentenversicherung und das Elterngeld gestrichen. Dabei könnte allein von der Hotelsubvention der Hartz-Regelsatz um weitere 12 Euro aufgestockt werden.

Mit der 5-Euro-Erhöhung wird die Entsolidarisierung der Gesellschaft verschärft. Es ist eine Spekulation auf die Amoralität, wenn Arbeitsplatzbesitzende gegen Arbeitsplatzsuchende ausgespielt werden. Dazu gehört auch die verlogene Argumentation mit dem Lohnabstandsgebot. Wenn die durchschnittlichen Löhne der Geringverdiener kaum zum Leben reichen, ist es unmoralisch, sie als Maßstab und Argument dafür heranzuziehen, dass Hartz IV nicht weiter steigen darf. Wer für 5 Euro die Stunde arbeiten muss, soll in Stellung gebracht werden gegen diejenigen, die jetzt nur 5 Euro im Monat mehr bekommen.

Es ist erschreckend, dass eine sich christlich nennende Partei versucht, auf diese Weise Wähler zu gewinnen. Früher galt es in der CDU und CSU noch als selbstverständlich, dass sich der Wert einer Gesellschaft am Umgang mit ihren Schwächsten beweist.

Merkels “Herbst der Entscheidungen” ist ein eiskalter Winter.