Schlagwort: Die Linke

Vom Tweedsakko, dem doppelten Lottchen und der Taubernuß

“Er redet teilweise wie Herr Gauland von der AfD. Der einzige Unterschied besteht darin, dass er statt eines abgewetzten Tweed-Sakkos einen überteuerten Maßanzug trägt.” Er, damit war in der Polemik des CDU-Generalsekretärs, Peter Tauber, in der Bild am Sonntag, Christian Lindner gemeint, der Vorsitzende, Chefdenker, Alleinunterhalter und Lautsprecher der FDP. FDP? Ja. Freie Demokratische Partei. Einst eine liberale Partei, seit den fünfziger Jahren an fast jeder Bundesregierung mit wechselnden großen Partnern beteiligt, dann aber, bei der letzten Bundestagswahl, von den Wählern abgewählt, aus dem Bundestag abberufen worden. “Der Grund, warum die FDP damals aus dem Bundestag geflogen ist,” so General Tauber weiter, “war nicht die CDU, sondern sie (die FDP, W.H.) selbst. Und mit seinem selbstherrlichen Auftreten tut Herr Lindner gerade alles dafür, dass sie es wieder nicht schafft. Dann wäre die FDP erledigt.” So das ganze Zitat des Sekretärs. Und wenn man mal von dem eher unmodischen Bekleidungsvergleich absieht, scheint mir der Generalsekretär nicht so ganz falsch zu liegen. Christian Lindner ist gewiß nicht phrasenfrei. Und Populismus kann er auch. Für seine Bewertung bekommt Tauber nun Haue von allen Seiten. Aus der FDP wird ihm “Taubernuß” nachgerufen und einzelne CDU-Größen distanzieren sich vorsichtig von ihrem Generalsekretär. Der zweite AfD-Vergleich, mit dem Peter Tauber im gleichen Zusammenhang aufwartete, der wird indes keineswegs in Frage gestellt oder kritisiert. Sarah Wagenknecht, die Spitzenfrau der Partei Die Linke und AfD-Chefin Frauke Petry seien “das doppelte Lottchen des Populismus in Deutschland”, die Linkspartei generell “eine rote AfD”. Kein Aufschrei, keine Kritik, kein öffentliches Wort, kein Wutschnauben bei jenen, die im Falle der FDP noch kaum zu bändigen waren. Wie gehabt in unserem Land: doppelte politische Moral. Im Westen nichts Neues.

Lumpensammler. Ein Lehrstück in Sachen kommunaler Demokratie

Lumpensammler, ein Wörtchen, das kaum mehr im aktiven Sprachgebrauch der meisten Menschen zu Hause sein dürfte. Als Lumpensammler bezeichnete man, als ich noch jung war, mehr Kind als Jugendlicher, jemanden, der abgetragene oder zerschlissene Kleidungsstücke und Stoffreste sammelte oder aufkaufte, Lumpen also, und diese dann weiterverkaufte, beispielsweise an Papiermühlen. In ganz anderem Kontext wird als Lumpensammler ein Fahrzeug bezeichnet, ein Lieferwagen, ein kleiner Bus, der Teilnehmer eines sportlichen Wettbewerbs, etwa eines Marathonlaufs oder eines Radrennens, denen die Puste ausgegangen ist, einsammelt und, außerhalb der Wertung natürlich, an den Zielpunkt bringt. Lumpensammler. So oder so kein Sahnestück der Gesellschaft, keine Ikone, kein Vorbild, keine Gestalt zum Vorzeigen. Den Lumpensammler, den Menschen, der den Müll und die Reste anderer Menschen einsammelt und verwertet, den bekommt man nicht mehr zu Gesicht. Lumpen werden heutzutage in Containern gesammelt. Anonym. Und Lumpensammler, die die Fußkranken eines Wettbewerbs einsammeln, die Verlierer, Loser, die Beschädigten, diese Lumpensammler findet man nicht im Scheinwerferlicht der Medien und der Öffentlichkeit. Versager werden stiekum eingesammelt und ohne Getöse dahin gebracht, wo sie sich aus eigener Kraft davonmachen können, ohne auch noch Aufmerksamkeit zu erregen. Jedenfalls im Sport. Lumpen sind, waren, neuer Kontext, in der Umgangssprache auch: gemeine Menschen. Halunken, Schufte, Taugenichtse, Scheusale, auch Betrüger. Sie werden, nein: wurden vom Volksmund auch als Lumpen bezeichnet. Eine schöne Bezeichnung, wie ich finde. Ein Lump ist einer, der etwas auf dem Kerbholz hat. Jemand, der moralisch nicht einwandfrei ist. Für mich sind Lumpen beispielsweise Menschen, die bei einer Wahl den Bürgern etwas versprechen, die sich nach der Wahl aber, wenn es schwierig wird, wenn es Probleme gibt, davon machen, von ihren Versprechungen nichts mehr wissen wollen, die ihre ursprüngliche Partei verlassen, ihr Mandat aber, die Beauftragung durch den Wähler, nicht zurückgeben, sondern in den Schoß einer anderen, einer neuen Partei legen, die man zuvor noch bekämpft hatte. Für mich ist das Verrat am Wähler, Betrug des Bürgers. Jemand, der so handelt, ist ein Lump. Andreas Müßener ist solch ein Mandatsräuber. Am fünften Juni habe ich hier geschrieben, daß “der Herr Müßener (sein Mandat, W.H.) ja nicht bekommen (hat), weil er so nett wäre, so klug, so anziehend, so überzeugend. Nein, das Mandat hat er bekommen, weil ihn seine Kumpane für die Wahl aufgestellt, weil sie ihn gewählt haben.” Andreas Müßener ist auf dem Ticket der AfD angetreten und hat jetzt die Partei verlassen. Das Mandat für die AfD, “sein” Mandat soll die Morgengabe für die neue Partei von Bernd Lucke sein, ALFA, so heißt der Laden. Nicht minder rechtspopulistisch als das alte Geschäft der AfD, vielleicht in Nuancen weniger nationalkonservativ, weniger ausländerfeindlich, ein wenig weniger anrüchig als die Pegidaumgebung, etwas weniger weit offen zur rechtsradikalen Flanke. Und der Wähler hier in Wermelskirchen? Wurde der befragt? Will der ALFA im Stadtrat haben? Gibt es einen Auftrag, daß Müßener die Partei wechseln soll? Nein, nein, nein. Noch einer aus dem aktuellen Stadtrat hat seine Partei verlassen und weigert sich, das Mandat zurückzugeben. Thorn Seidel. Angetreten und gewählt auf dem Ticket der Partei Die Linke. Am siebenundzwanzigsten März schon habe ich hier auch über den Mandatsklau von Thorn Seidel geschrieben, daß er sein Mandat ja nicht erhalten habe, “weil er so nett wäre, so klug, so anziehend, so überzeugend.” Das Mandat hat man ihm erteilt, weil die Wähler zwei Menschen der Partei Die Linke im hiesigen Stadtrat sehen wollten. Was ficht das den überragenden Kommunalpolitiker Thorn Seidel an? Er hat jetzt die Seite komplett gewechselt. Zur WNK ist er gegangen, der Linke, dem die Sozialdemokraten viel zu weit rechts waren. Zu der Partei ist er gewechselt, deren Fraktionsvorsitzender sich, samt Adlatus, seit geraumer Zeit in öffentlichen Foren wie Facebook als radikaler Kommunisten- und Linkenfresser profiliert und keine Gelegenheit verstreichen läßt, örtliche Mitglieder der Partei Die Linke zu beleidigen und persönlich herabzusetzen. Für mich ist ein Mandatsräuber ein Lump. Einer, der den Wählerwillen ignoriert, ihn verfälscht, sich und sein Mandat wichtiger nimmt als die Regeln und den Kern der Demokratie. Und so gibt es, jedenfalls in der Wermelskirchener Kommunalpolitik, nunmehr auch den Lumpensammler. Eine Partei, die Lumpen einsammelt. Die die Fußkranken der Demokratie, die, denen die Puste ausgegangen ist, die Seitenwechsler einsammelt und zum Ziel bringt. Ans Ziel der WNK. Wer die Seiten wechseln will, der soll das tun. Wer eine neue politische Heimat braucht, muß sich umsehen und wechseln. Wer aber gewählt worden ist vom Bürger, der soll sein Mandat zurückgeben, um den Wählerwillen nicht zu verfälschen. Bürgerlicher Anstand? Demokratische Regeln? Fehlanzeige. Da kann sich die WNK noch so bürgerlich geben. Es geht ihr lediglich um Mehrheiten, um politische Macht. Bei der Wahl haben die Bürger dieser Stadt der WNK etwa ein Drittel der Stimmen entzogen. Die Mandate für diese verloren gegangenen Wähler holt sich die WNK jetzt nach und nach zurück.  Als Lumpensammler. Thorn Seidel ist nicht als Thorn Seidel interessant. Sein Mandat ist interessant. Andreas Müßener ist nicht als Andreas Müßener interessant. Sein Mandat ist interessant. Die WNK ist nicht mehr interessant. Sie ist ein Lumpensammler. Mehr nicht mehr.

Mandatsklau

Da wird jemand gewählt bei der letzten Kommunalwahl. In den Stadtrat. Für die Partei “Die Linke“. Am Tag nach der Wahl habe ich hier geschrieben, daß mir nur schwer erklärbar ist, warum diese Partei ihre Stimmenzahl hatte verdoppeln können, war doch “kaum etwas zu hören oder lesen (…) von ihrem Stadtverordneten. Fünf Jahre lang.” Einerlei. Seit nicht einmal einem Jahr sitzen nun zwei Linke im Rat der Stadt. Saßen. Denn nun ist Thorn Seidel ausgetreten. Der Neu-Linke. Aus der Fraktion. Wegen “unüberbrückbarer Differenzen” mit dem anderen, dem Noch-Linken, Rainer Schneider. Hübsche Formulierung. Unüberbrückbare Differenzen. Aus dem Satzbaukasten der bürokratisch gestanzten Rede. Eine sprachliche Nebelkerze. Nichtssagend. Bla-Bla. Das alles aber ist nicht wirklich mein Bier. Sollen sie doch streiten. Überbrücken, wenn’s geht, es lassen mit dem Brücken bauen, wenn nichts mehr geht. Alles nicht wirklich wichtig. Viel wichtiger ist, daß es sich bei einem Stadtverordneten der Linken um einen Stadtverordneten aller Bürger in dieser Stadt handelt. Thorn Seidel hat sich bislang jedoch mit nichts hervorgetan. Nichts, was in der Öffentlichkeit bemerkt worden wäre, nichts, was den Zeitungen eine Meldung wert gewesen wäre, nichts, was die Aufmerksamkeit von Bürgern hätte finden können. Was bleibt? Thorn Seidel hat die Fraktion der Linken zerdeppert. Im Wortsinn. Das haben die Wähler der Linken nicht verdient. Sie haben eine Fraktion aus zwei Menschen gewollt und auch bekommen. Bis gestern. Bis Thorn Seidel von “unüberbrückbaren Differenzen” salbaderte. Und, ganz politischer Schlaumeier, in der Tradition bürgerlicher Mandatsräuber feststellte: “Ich werde weiterhin im Stadtrat bleiben, das steht fest.” Ich habe keine Ahnung, was diesen Menschen befähigt, im Stadtparlament für das Gemeinwohl zu arbeiten. Ich war an seiner Aufstellung nicht beteiligt. Bislang aber habe ich auch keine Kenntnis von auch nur einer bemerkenswerten Einschätzung, Handlung, Initiative. Nach den Regeln der Bürokratie mag feststehen, daß Thorn Seidel sein Mandat behalten kann. Nach den Regeln des politischen Anstands wäre allerdings das Gegenteil fällig, nämlich der Rücktritt vom Mandat. Das hat der Herr Seidel ja nicht bekommen, weil er so nett wäre, so klug, so anziehend, so überzeugend. Nein, das Mandat hat der Genosse Seidel bekommen, weil ihn seine Genossen für die Wahl aufgestellt, weil sie ihn gewählt haben. Jetzt will er nicht mehr, jetzt spürt er “unüberbrückbare Differenzen”, jetzt gibt es Krach. Also soll er auch gehen. Der Mandatsklau ist schon bei bürgerlichen Parteien nicht wirklich akzeptabel. Bei Linken ist er, finde ich, sogar unappetitlich. Er zeugt von grandioser Selbstüberschätzung. Solange Thorn Seidel nicht über Wasser gehen kann, solange er also noch zu den ganz normalen Menschen zu rechnen ist, solange sollten auch die Maßstäbe des Anstands und der Demokratie für ihn gelten. Ein schwieriges Geschäft, diese Demokratie.

Im eigenen Saft schmort es sich am besten

Die politische Landschaft in Wermelskirchen ist bunt. Gottlob. Aber eine heterogene politische Szene bedeutet auch Konkurrenz. Sieben Parteien sind im Stadtrat vertreten. Und diese sieben Parteien mühen sich um die Aufmerksamkeit jener, die für politische Angebote und Debatten noch offen sind. Also um eine leider eher kleiner werdende Gruppe von Bürgern. Alle Parteien haben Stammtische im Angebot. Fast immer sind es öffentliche Treffen, nicht nur für Mitglieder, sondern auch für Interessierte veranstaltet, ohne feste Themen- oder Tagesordnung. Mit solchen Stammtischen stellen die Parteien ihre Vorhaben und Überzeugungen dar und treten in den Dialog mit Menschen ein, die nicht oder noch nicht in eine Partei entreten wollen, dennoch aber zu Gesprächen über den eigenen Tellerrand hinaus offen und nicht festgefahren sind. Ich habe in den letzten Jahren Veranstaltungen oder Stammtische nahezu aller politischer Parteien in Wermelskirchen besucht, um mir mein eigenes Bild zu machen. CDU, FDP, AfD, WNK und SPD, natürlich. Alle diese Veranstaltungen waren ein Gewinn. Denn man kommt klüger raus, als man hineingegangen ist. Das war heute auch so. Die Linke hatte geladen. Zum öffentlichen Stammtisch. Eine interessante Runde, mehr Menschen, als ich zunächst vermutet hatte. Und nach ein paar Regularien, Terminen und sonstigen nötigen Absprachen, sollte die Debatte auch losgehen. Sollte. Ein, äh, Genosse war indes nicht bereit, sich eines halbwegs bürgerlichen Umgangstons zu befleißigen, sondern verstieg sich, nachdem er erfahren hatte, daß ich nach meiner linksradikalen Vergangenheit heute in den Reihen der SPD organisiert bin, zu altbekannten, historisch aber falschen Generalschuldzuweisungen an die Sozialdemokraten à la “Wer hat uns verraten?”. Tja. Wenn schon ich, der ich eine gründliche politische Sozialisation in einer kommunistischen Partei durchlebt und auch überlebt habe und also den Jargon, die verengten bis falschen Argumente, die üblichen Simplifikationen oder das Eiferertum bestens kenne, wenn also schon ich es vorziehen muß, einen solchen Stammtisch nach nur wenigen Minuten zu verlassen, um der unbeherrschten Suada eines vermeintlich Linken zu entgehen, dann ist die Frage statthaft, wie die örtliche Linke denn generell mit Menschen umgehen will, die anderer Auffassung sind, die Zweifel haben an den Positionen der Linken, die nicht oder noch nicht überzeugt sind? Rainer Schneider und die seinen werden, nolens, volens im eigen Saft schmoren müssen, wenn das heute Abend eine typische Veranstaltung gewesen sein soll. Im eigenen Staft schmoren. Welch ein schönes Sprachbild. Es meint, daß man nichts wirklich Neues an sich heranläßt, keine Impulse oder Argumente von außen aufzunehmen bereit ist. Ein fürwahr treffendes Bild. Die Linke ist noch nicht grundsätzlich imstande, sich über die selbstgewählte Scheuklapprigkeit hinaus mit Menschen auseinanderzusetzen, die der Schablone eines historisch falschen und ideologisch fragwürdigen Feindbildes zu entsprechen scheinen. Sie schmort, jedenfalls hier in Wermelskirchen, im eigenen Saft. Aber auch im eigenen Saft kann man sich gehörig den Arsch verbrennen.

Ein Abend im Rathaus. Miszellen

Henning Rehse wurde nicht gesehen gestern Abend, der Tausendsassa der WNK, von dem es heißt, daß er in einem gegebenen Moment an mindestens zwei Stellen gleichzeitig auftauchen könne. Mindestens. Er muß geahnt haben, daß es kein Kommunalwahlabend nach seinem Gusto werden wird. Sein Direktmandat hat er verloren, an einen Nobody aus der CDU. Und sein Laden hat knapp ein Drittel seiner Stimmen eingebüßt. Eine Folge der unangenehmen Lautstärke, mit der die WNK und Henning Rehse die Bürger bedrängt, der unangemessenen Wortwahl, mit der Rehse und seine Adlati Freund und Feind bedacht haben, eine Folge auch des Plakatdurchfalls und des Tamtams um die Rhombusbrache, mit der die Bürger für dumm verkauft werden sollten. Und: Bürgermeisterbashing, der Volkssport im Rat und auf Parteiversammlungen, zahlt sich nicht aus.

Nur jeder zweite Dellmann hat gestern den Stadtrat gewählt. Ein Armutszeugnis. Bei der letzten Kommunalwahl Zweitausendundneun waren es immerhin noch fast sechzig Prozent. Das Meckern scheint das Einmischen abgelöst zu haben. Wer nicht wählt, meckert aber nur ins Leere. Fatal. Fatal auch für die Parteien, Sieger wie Verlierer. Sie bringen die Wähler ja nicht mehrheitlich an die Urne. Ihre Politik geht an knapp der Hälfte der Bürger vorbei. Auch die der Sieger.

Sieger. Das sind die jungen Herren um Christian Klicki in der CDU. Die haben die Stimmen zurückgeholt, die in der vergangenen Stadtratswahl wegen einer verunglückten Kandidatenauswahl verloren gegangen waren. Mehr nicht. Die CDU ist also, mehrheitstechnisch, am Ende der Amtszeit von Bürgermeister Heckmann angelangt, Zweitausendundvier, als der die CDU beinahe zugrunde gerichtet hatte. Aber: Die beiden Direktmandate für die CDU-Abspaltungen, für Rehse und Burghof, gingen wieder an die CDU. Gratulation.

Verlierer gibt es auch, bei jeder Wahl. Die FDP ist Verlierer. Diesmal. Obwohl sie  in Wermelskirchen doch weit über dem Ergebnis der Europawahl landete. Mit etwas mehr als sechs Prozent ist auch sie wieder im Jahr Zweitausendundvier angekommen. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Sie lebt also noch, die totgesagte liberale Partei. Besser als anderswo. Wermelskirchen ist liberale Hochburg. Noch immer. Noch.

Das Bürgerforum hat auch verloren. Das Direktmandat von Friedel Burghof ist weg, zurück bei der CDU. Und mehr als ein Drittel der Wähler hat der Burghofschen Partei den Rücken gekehrt. Mal ganz ehrlich: Brauchen wir eigentlich diese ganzen CDU-Ableger? Machen die denn im Ernst irgendetwas anders als die Mutterpartei? Oder geht es doch eher nur um Macht und persönliche Eitelkeiten?

Die Siege dieser Kommunalwahlen sind nicht ungebrochen und die Niederlagen auch nicht. Interessant. SPD-Aktivisten wünschten sich vor der Auszählung eine zwanzig vor dem Komma. Das kann man verstehen, haben die Wähler die Sozialdemokraten vor fünf Jahren doch derbe abgewatscht. Sechzehn (!) Prozent hatte die SPD eingefahren. Klar. Haben sie sich doch zur Unterstützung des damaligen CDU-Kandidaten für den Bürgermeisterposten verstiegen. Eines Mannes und Politikers, an dessen Namen man sich heute nur noch mit Mühe erinnern kann. Aber: Es wurden gestern keine zwanzig , sondern nur gut neunzehn Prozent. Zuwachs zwar, aber doch bescheiden. Dabei hätte die SPD durchaus Potential für mehr. Bei der Europawahl beispielsweise kam die SPD gestern hier im Städtchen auf mehr als fünfundzwanzig Prozent. Die SPD siegt und verliert zugleich.

Die Grünen sind etabliert. Da mag es intern noch so sehr gekracht haben in der vergangenen Legislaturperiode. Etwa zehn Prozent der Wähler gehen mit den Grünen durch dick und dünn. Sieger? Verlierer? So einfach ist das eben alles nicht.

Die Linke hat ihre Stimmenzahl verdoppelt. Obwohl doch kaum etwas zu hören oder lesen war von ihrem Stadtverordneten. Fünf Jahre lang. Sieger? Stummer Sieger?

Was bleibt noch? Ach ja, die frechen jungen Männer von der Alternative. Für ganz Deutschland. Die lokalen Gegenstücke zur Altmännerriege um Henkel und Starbatty im Bund und in Europa.Sie haben gewonnen. Weil sie in den Stadtrat eingezogen sind. Mit nicht einmal fünf Prozent. Und sie haben verloren, weil sich die allzu süßen Blütenträume schon zerstoben haben. Sie haben weniger erreicht als bei den Europawahlen, weniger als im Bund. So frech wie in verschiedenen Facebookgruppen sollten sie demnächst nicht mehr auftreten. Sonst könnte schneller wahr werden, was ohnehin zu ahnen ist. Rechtspopulismus ist eine vorübergehende Erscheinung. Wir haben schon schlimmere Zeitgeister überstanden, Republikaner, Nationaldemokraten, Pro Irgendwas …

Wie war das noch? Lechts und rinks solle man nicht verwechseln. Wenn man Ernst Jandl folgen will. Ordnen wir aber einfach einmal zu, der Arschbackenphilosophie. Rechts die CDU, nach guter alter Sitte. Und die WNK. Als Fleisch von Fleische. Und das Bürgerforum. Noch mehr Fleisch vom alten Fleisch. Dann haben wir schon eine absolute Mehrheit. Sechsundfünfzig Prozent. Nehmen wir spaßeshalber noch die Alternativen dazu, die Rechtspopulisten, landen wir bei über sechzig Prozent. Ein Block. Ein gewaltiger Block. Wenn Grüne, Sozialdemokraten, Liberale und Linke, spaßeshalber mal gemeinsam auf der linken Arschseite eingeordnet, diese Verhältnisse, zusammen nicht einmal mehr über vierzig Prozent zu verfügen, dermaleinst  zum Tanzen bringen wollen, die Liberalen und die Sozialdemokraten mögen mir das Marxzitat aus der Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie nachsehen,  dann werden sie ihnen ihre eigene Melodie vorspielen müssen; anders Politik machen als bislang, öffentlich, dort wo’s stinkt und laut ist, fantasievoller Menschen ansprechen, diskutieren, was draußen besprochen wird, beklagt, kritisiert, feinere Antennen entwickeln für die Nöte, auch für Visionen und Anstrengungen der Bürger. Draußen spielt die Musik, nicht in Hinterzimmern, in  Ausschüssen oder im Stadtrat.

Illoyal

Ich bin illoyal.” So überschreibt die Bundestagsabgeordnete der Linken, Halina Wawzyniak, einen Beitrag in ihrem Blog und fährt fort: “Aus Prinzip. Aus grundsätzlichen Erwägungen heraus. (…) Auch deshalb, weil niemand genau definiert, an welcher Stelle beginnt Loyalität und wo hört sie auf. Loyalität ist ein ach ganz wunderbares Instrument um Gehorsam und Gefolgschaft zu ermöglichen. Die (Parteien)Geschichte hat es bewiesen. Mit Loyalität konnte ich noch immer alles begründen und mit Illoyalität alles rechtfertigen. (…) Ich finde ja immer noch, dass Sachkomeptenz und das bessere Argument zählen sollten. Überall. Entweder beides überzeugt oder eben nicht.Lieber ehrlich verlieren, statt unehrlich gewinnen. Loyalität ist ein Konzept für Monarchien, nicht aber für demokratische Staaten und Organisationen. Aus Überzeugung bin ich illoyal.”

 

Wo sie Recht hat, hat sie Recht …

“Wir sind also wieder einmal zusammengekommen, um Milliarden, die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler hart erarbeitet haben, im schwarzen Loch des Finanzmarkts zu versenken. Der einzige Fortschritt ist immerhin, dass Sie diesmal wenigstens offen zugeben, worum es geht: Nicht um Hilfszahlungen an Länder, die ihnen vielleicht dabei helfen können, ihre Krise zu meistern oder ihre riesige Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, sondern es geht wieder einmal nur um Hilfszahlungen für Banken, die andere Banken, Hedgefonds und private Großanleger vor Verlusten schützen sollen. (…) Ich finde, Sie müssen sich auch einmal entscheiden. Sie wollen doch den Kapitalismus auch im Finanzbereich, also private Banken und ein marktwirtschaftlich organisiertes Finanzsystem. Dann müssen Sie aber auch die Regeln anerkennen, die in der privaten Wirtschaft nun einmal gelten. Eine der Kernregeln ist, dass Investoren für ihre Verluste haften, nicht der Steuerzahler. (…) Was Sie machen, gigantische private Wettbuden am Markt zu belassen, die alle Freiheiten haben, die Ersparnisse mit waghalsigen Geschäften zu verzocken, sich an jeder Blase zu beteiligen, um maximale Rendite herauszuschinden, und immer dann, wenn es eng wird, den Steuerzahler kommen und brav für die Verluste haften zu lassen, also Sozialismus für die Bankvorstände und Vermögenden und Kapitalismus für den Rest der Bevölkerung, das ist wirklich ein absurdes und krankes Modell. (…) Wir wollen nicht die Finanzmärkte beruhigen, und wir wollen auch nicht um das Vertrauen dieser Zockerbande werben, sondern wir wollen die Finanzmärkte entmachten. Wir wollen die Banken als öffentliche Institute so reorganisieren, dass sie endlich wieder das tun, wofür Banken da sind: sichere Sparmöglichkeiten anbieten und Investitionen finanzieren; und sonst gar nichts.” (Sahra Wagenknecht, Die Linke, am neunzehnten Juli in der Sondersitzung des Deutschen Bundestags zu Finanzhilfen für Spanien, zitiert nach Michael Schöfer)

Manipulation

Wochenpost, die freundliche Verbraucherzeitung. So nennt sich ein Gratisblatt, das uns allwöchentlich unverlangt die Briefkästen verstopft. Ein Anzeigenfriedhof, in der Regel gepaart mit ein paar Belanglosigkeiten, die in fadenscheinigen journalistischen Kleidchen daherkommen. Ich will mich aber nicht wirklich über die journalistische Qualität dieses Blättchens oder einzelner Artikel auslassen. Obwohl das sicher auch mal reizvoll wäre. Nein. Es geht um die Landtagswahl. “NRW wählt – Vier Landtagskandidaten antworten in der WOCHENPOST.” So zu lesen auf der Titelseite der gedruckten wie der Onlineausgabe. Die vier Landtagskandidaten sind nicht die örtlichen Kandidaten, nein, es ist das Spitzenpersonal der politischen Parteien in Nordrhein-Westfalen: Hannelore Kraft, Sylvia Löhrmann, Norbert Röttgen und Christian Lindner. Vier Kandidaten? Für vier Parteien, SPD, Grüne, CDU und FDP. Aber: Sind/waren da nicht fünf Parteien im Düsseldorfer Landtag? Richtig. Die freundliche Verbraucherzeitung unterschlägt ihren Lesern mal eben die Partei “Die Linke”. Warum wohl? Will die Redaktion des Verbraucherblattes verhindern, daß sich die Leser ihr eigenes Urteil über die Linken machen? So eine Art Vorzensur, das braucht Ihr wirklich nicht zu lesen? Die Redaktion mag ja mit dem politischen Kurs der Linken nicht einverstanden sein, das kann vorkommen. Aber rechtfertigt das eine derartige Auswahl? Natürlich nicht. Gut. Wir haben also vier von fünf Kandidaten, die die Morgenpost zur Lektüre freigibt. Aber: War da nicht noch etwas? Ist da nicht noch eine Partei? Eine, der seit Wochen alle Auguren, alle Umfragen attestieren, daß sie in den Landtag einziehen werde?  Richtig. Die Piraten. Die scheinen dem unfreundlichen Verbraucherblatt ebenfalls nicht in den Kram zu passen. Vier Kandidaten, das heißt vier Parteien werden vorgestellt. Zwei werden verschwiegen. Das nenne ich dreiste Manipulation. Welche Kriterien hat die Redaktion angelegt? Die letzte Wahl? Nein. Die Redaktion ignoriert den Wählerwillen. Denn die Wähler haben die Linke ja ins Parlament entsendet. Das Kriterium der Aussichten bei der diesjährigen Wahl? Nein. Dann hätten die Piraten auf jeden Fall vorgestellt werden müssen. Und womöglich die FDP nicht. Redaktion, Kriterien, journalistische Auswahl – ich fürchte, alle drei Begriffe lassen sich nicht heranziehen. Es gibt keine Redaktion. Es gibt keine Kriterien für die Auswahl. Es gibt keine journalistische Auswahl. Es ist und bleibt: Manipulation. “Uns passen zwei von sechs Parteien nicht. Und deshalb stellen wir sie auch nicht vor.” Den Mut zur Wahrheit hat das Verbraucherblatt nicht. Das Verbraucherblatt ist nur ein Blatt. Eines, das seine Leser nicht ernst nimmt, sie für dumm verkauft. Ein Anzeigenblatt. Ein Blatt nicht für Leser. Eher für die  blaue Tonne.

Mandatsgeschachere

Die Mitteldeutsche Zeitung berichtet heute, daß die Landtagsabgeordnete der Linken, Koch-Kupfer, aus ihrer Fraktion austreten und in die CDU-Fraktion wechseln werde. Frau Koch-Kupfer sei mit dem Führungsstil ihrer eigenen Fraktionsspitze höchst unzufrieden. Der Übertritt sei “offenbar seit Längerem geplant und mit der CDU besprochen”, wohingegen der Linken-Fraktionschef Wulf Gallert erst am Wochenende von den Plänen Koch-Kupfers erfahren haben soll. Soll ich dieses Geschachere um ein Landtagsmandat nun auch noch demokratisch finden?