Friedhelm Hengsbach, Jesuit und Sozialethiker, hat den windschnittigen Staatsverächtern und neoliberalen Apologeten der Selbstheilungskräfte des Marktes die Leviten gelesen. In der Sächsichen Zeitung.
Die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise wird als beispiellos betrachtet. Zum einen, weil sie mit einem radikalen Wechsel der herrschenden Denkmuster verbunden ist. Die marktradikalen wirtschaftsliberalen Parolen, nämlich auf die Selbstheilungskräfte des Marktes zu vertrauen und den schlanken Staat als den besten aller möglichen Staaten anzusehen, sind wie über Nacht aus den Köpfen und Herzen der Wirtschafts-Eliten gewichen. Zum andern sind drei Dimensionen der Krise offensichtlich: eine monetäre, ökologische und eine soziale Dimension. Der Finanzkapitalismus erzeugt ökologische und soziale Folgeschäden.
Die Attraktivität des anglo-amerikanischen Finanzkapitalismus hat bewirkt, dass der „Rheinische Kapitalismus“, die sogenannte „Deutschland AG“, gleitend transformiert wurde. Der historische Kompromiss zwischen Arbeit und Kapital wurde aufgekündigt, Arbeitgeber entzogen sich der Tarifbindung, die personelle und finanzielle Verflechtung zwischen Unternehmen und ihren Banken wurde gelockert, die solidarischen, umlagefinanzierten Sicherungssysteme wurden deformiert.
Der Finanzkapitalismus hat zur Folge, dass die menschliche Arbeit entwertet und entwürdigt wird. Die Wirtschaft wird dominiert durch die Kapitalmärkte, die Märkte für Wertpapiere, insbesondere für Aktien. Diese Märkte gelten als Märkte zur Unternehmenskontrolle. Der Wert eines Unternehmens spiegelt sich in einer reinen Finanzkennziffer, dem „shareholder value“, der die auf die Gegenwart bezogenen zukünftigen Finanzströme abbildet. Da es sich um zukünftige Zahlungsströme handelt, unterliegen sie subjektiven Erwartungen. Sie sind im Aktienkurs ablesbar. Folglich suchen die Manager den Aktienkurs zu steigern, um der Gefahr einer feindlichen Übernahme zu entgehen. Weiterlesen