Die Nachlese, so kann man nachlesen, ist eine nachträgliche, auswählende, bewertende Betrachtung. Also, dann lesen wir mal die Ergebnisse der letzten Landtagswahl hier in Wermelskirchen nach. Wahlverlierer, wie im ganzen Land, ist auch hier die CDU. Nur noch 4.339 Wähler entschieden sich für die einst große bürgerliche Partei, das sind 26,5 Prozent aller abgegebenen gültigen Stimmen. Das klingt schon schlecht genug für eine Partei, die vor zwei Jahren immerhin noch 38,9 Prozent der Wählerstimmen einheimsen konnte. 2010 waren das immerhin noch 6612 Wähler im traditionell schwarzen Wermelskirchen. Die CDU hat also in Wermelskirchen sage und schreibe 2273 Wähler verloren. Das ist ein Verlust von 34,4 Prozent! Schlimmer aber ist, daß gemessen an der Zahl der Wahlberechtigten der Anteil der CDU-Wähler lediglich noch 15,75 Prozent beträgt. Auch die CDU steckt in der akuten Gefahr, ihren Charakter als Volkspartei zu verlieren. Für die SPD entschieden sich vor einer Woche 5203 Wermelskirchener, 31,7 Prozent. Zwar liegen die Sozialdemokraten damit erstmals vor der CDU. Vor zwei Jahren votierten 4532 Bürger für die SPD, was 26,6 Prozent ausmachte. Die SPD hat also 671 Stimmen dazugewonnen. Ein Zuwachs von knapp fünfzehn Prozent ihres letzten Ergebnisses. Dennoch: Gemessen an allen Wahlberechtigten schrumpft die sozialdemokratische Erfolgszahl auf einen Anteil von knapp 19 Prozent. Beide großen Parteien repräsentieren zusammen also etwa ein Drittel (!) der wahlberechtigten Menschen in unserer Stadt. Betrug die Wahlbeteiligung vor zwei Jahren noch 62 Prozent, waren es am vergangenen Sonntag nur noch 60,6 Prozent. Die Entfernung zwischen Parteien und Bürgern nimmt also weiter zu, das Interesse der Menschen an Politikern, Politik und Parteien nimmt ab. Jedenfalls führt es nicht zur Teilnahme am demokratischen Prozess, wie er derzeit gestaltet ist. Die Grünen konnten 1657 Zweitstimmen verbuchen, gegenüber 2022 Kreuzchen vor zwei Jahren. Das sind 10,1 Prozent gegenüber 11,9 Prozent in 2010. Die Grünen haben also binnen zwei Jahren 18 Prozent ihrer Wähler verloren. Und auch hier: Sie vertreten gerade noch sechs Prozent aller wahlberechtigten Bürger. SPD und Grüne werden die Landesregierung stellen, weil sie im ganzen Land die Mehrheit der abgegebenen Stimmen errungen haben. Die Mehrheit der Bürger haben sie indes nicht erreicht und überzeugt. Neben der SPD zählt die FDP um Christian Lindner zu den Wahlgewinnern im grünen Wermelskirchen. 2822 Wermelskirchener ließen sich vom liberalen Shootingstar überzeugen, FDP zu wählen. Das sind 962 Stimmen mehr als 2010, als sich 1860 Wähler für die FDP entschieden. Der Lindnersche Zugewinn beträgt also knapp 52 Prozent oder eine Steigerung des blau-gelben Anteils von 10,9 auf 17,2 Prozent. Mit 10,25 Prozent aller Wahlberechtigten steht die FDP durchaus in einer Reihe mit den beiden einstigen Volksparteien, SPD und CDU. Gleichwohl: SPD, CDU, Grüne und FDP repräsentieren gemeinsam nur etwa die Hälfte (!) aller wahlberechtigten Bürger der Stadt, nämlich 51 Prozent. Für die Linke votierten letzten Sonntag nur noch 337 Stimmberechtigte, das sind etwa zwei Prozent. Zwei Jahre zuvor waren es noch 848 Wähler oder fünf Prozent. Die Linke hat also 511 Stimmen verloren, also 60, 3 Prozent ihrer Wähler nicht mehr an sich binden können. Die Linken sprechen nur noch für 1,22 Prozent aller hiesigen Wahlberechtigten. Keine Volkspartei, keine Protestpartei mehr, eine unbedeutende Partei unter den “Sonstigen”. Und schließlich die Piraten: 1207 Stimmen gegenüber 224 Stimmen zwei Jahre zuvor. Ein Zugewinn von 983 Kreuzchen, mehr also, als die FDP an Zugewinn hatte. Der eigentliche Wahlgewinner sind mithin die Augenklappenträger mit den Enterhaken, konnten sie ihren Anteil doch um knapp 439 Prozent steigern. Und jetzt noch das übliche Wasser in den guten Wein: Die Piraten vertreten auch nur 4,4 Prozent aller Bürger in der Stadt. Zusammen also vertreten diese sechs Parteien nur etwa zwei Drittel der Wermelskirchener. Wenig genug für ganze sechs Parteien. Das Landtagswahlergebnis bietet allen Parteien genügend Stoff für Demut und Nachdenklichkeit. Wenn sich 39,4 Prozent aller Wahlberechtigten von der Urne fernhalten, sollte dies eine Menetekel sein für alle Parteien, für alle Politiker am Ort, über die Gestaltung ihrer Politik, über die Ansprache an die Bürger gehörig nachzudenken.
Schlagwort: Landtagswahl
Wahlsieger
Sie haben wieder Hochkonjunktur, die Wahlrabulistiker. Wir haben gewonnen, die anderen haben verloren. Unisono klingt es aus allen Ecken des Landes. Unabhängig von den konkreten Zahlen, unabhängig davon, was die Wähler den Parteien und Politikern wirklich aufgegeben haben. Die CDU ist aus dem Ministerpräsidentensessel gewählt worden, in den sie nur mit einer verfassungswidrigen Interpretation des letzten Wahlergebnisses gekommen war. Aber: Sie hat die Wahl natürlich gewonnen, weil sie vermutlich ein paar Stimmen mehr als die SPD erhalten hat. Fast ehrlich die FDP. Sie hat schon gewonnen, weil sie überhaupt wieder in den Landtag darf. Macht man hingegen, was man traditionellerweise macht an Wahlabenden, nämlich das aktuelle am letzten Ergebnis zu messen, dann hat die CDU die Wahl verloren, nicht nur den Ministerpräsidentensessel. Sie wird vermutlich auch nicht in die Landesregierung zurückkehren können. Wenn das ein Wahlsieg ist, dann ist das Land Schleswig-Holstein nicht nur flach, sondern die Erde eine Scheibe. Die FDP hat die Hälfte ihrer Wähler verloren. Aber die Wahl hat sie, natürlich, gewonnen. Sie darf nicht mehr in der Landesregierung mitspielen. Aber sie hat die Wahl gewonnen. Die Linke hat dagegen die Wahl verloren und macht daraus auch keinen Hehl. Wohltuend. Wirklich gewonnen haben dagegen die Piraten. Sie ziehen in den Landtag ein und nehmen allen anderen Parteien Stimmen weg. Wirklich gewonnen haben die Grünen mit einem fulminanten Stimmenergebnis, gegen den medialen Veröffentlichungstrend, der die Grünen seit Wochen nach unten schreibt. Und gewonnen hat auch die SPD. Nicht so viel, wie sie sich gewünscht hatte. Aber gemessen am letzten Landtagswahlergebnis steht ein Pluszeichen vor ihrem Ergebnis. Und verloren haben alle. die Parteien, das Land, die politische Kultur: Die Wahlbeteiligung von etwa siebenundfünfzig Prozent zeugt davon, daß der Trend der Entfremdung von Politik und Politikern nicht gebrochen werden konnte, Piraten hin, Piraten her.