„Die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ist ein undifferenziertes und rechtlich unangemessenes Überwachungsinstrument, das die Grundrechte in unzumutbarer Art einschränkt und alle Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union unter Generalverdacht stellt… Wir lehnen die grundsätzliche, verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung (euphemistisch auch Mindestdatenspeicherung genannt) von Telefon- und Internetverbindungen ab, da sie mit den Grundwerten der Sozialdemokratie nicht vereinbar ist…“ Diese Formulierung findet sich in einem Antrag der Jungsozialisten an den Bundesparteitag der SPD, der zwischen dem vierten und sechsten Dezember in Berlin stattfindet. Mit den Jusos fordern der SPD-Bezirk Mittelfranken, die Unterbezirke München und Aachen-Stadt, der Kreis Rhein-Neckar, einige Ortsvereine und die bundesweite Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ) die Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung. Soweit die Basis. Was die Basis will, schert den Überbau indes nur wenig. Die Antragskommission des Parteitages unter dem stellvertretenden Vorsitzenden Olaf Scholz empfiehlt den Delegierten die Annahme des einzigen Antrags, der nicht eindeutig gegen die anlaßlose Vorratsdatenspeicherung Position bezieht, nämlich den Antrag 30 des Hamburger Ortsvereins Eimsbüttel-Nord. In dem heißt es unter anderem: “Die Bundestagsfraktion sowie die SPE-Fraktion im Europäischen Parlament werden aufgefordert, sich vor einer Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung dafür einzusetzen, dass die Notwendigkeit einer Vorratsdatenspeicherung unter Einsatz der geringstmöglich in die Privatsphäre eingreifenden Mittel und der höchstmöglichen Datensicherheit (vgl. das Scheitern von ELENA) sowie unter Beachtung der Missbrauchsgefahr (vgl. nur den Datenskandal bei der Anti-Nazi-Demo in Dresden) nachgewiesen wird.” Eigentlich ist das schon Überbautrickserei genug, um den Basiswillen auszuhebeln. Doch empfiehlt die Antragskommission nunmehr den Delegierten die Annahme dieses Antrages aus Eimsbüttel in einer Langfassung der Antragskommission, die wiederum mit dem ursprünglichen Eimsbütteler Begehren kaum mehr etwas zu tun hat. Denn in dieser Langfassung heißt es: “Insbesondere die von der EU-Richtlinie vorgeschriebene Mindestspeicherdauer von 6 Monaten greift unverhältnismäßig stark in das Grundrecht ein. Dabei zeigt die Praxis, dass eine Speicherdauer von 3 Monaten für den verfolgten Zweck der Richtlinie ausreichend ist. Daher fordern wir, dass die Mindestspeicherdauer der Richtlinie von 6 auf 3 Monate verkürzt wird oder es den Mitgliedstaaten zumindest freigestellt wird, eine kürzere Mindestspeicherdauer festzulegen…Im Rahmen dieser Einschränkungen und Einhaltung der strengen Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht für eine Umsetzung der Richtlinie festgelegt hat, ist der Abruf der Telekommunikationsverbindungsdaten bei den Providern durch Ermittlungsbehörden ein verhältnismäßiges Instrument.“ Ein tolldreistes Lehrstück in Sachen innerparteilicher Demokratie. Und ein weiteres Scherflein zur Parteiverdrossenheit.