Schlagwort: Weimar

Demokratie ohne überzeugte Demokraten

Die Schreckgespenster Schönhuber und Schill sind an uns vorbeigeflogen, ohne dass die etablierte Politik auch nur irgendeine Lehre daraus gezogen hätte. Populisten wählen einfache Wahrheiten, einfache Sätze und – ganz wichtig – es gibt immer einen Schuldigen. Das sind erst die Ausländer. Und wenn die alle weg sind, sind es die Andersgläubigen. Und wenn die weg sind, sind es die Christen. Und wenn die weg sind… Populismus kann nur in einem „wir hier – die dort“ funktionieren, über ab- und ausgrenzen. Auch die CSU funktioniert in einer Art demokratie-affinen Variante so und spielt mit dem „wir hier in Bayern“ häufig hart am Wind. (Man wird doch noch mal „Neger“ sagen dürfen.)

Ansgar Mayer, Demokratie ohne überzeugte Demokraten.„Bonn ist nicht Weimar“. Und Berlin nicht Bonn, in: Carta vom zweiundzwanzigsten September Zweitausenundsiebzehn

 

Weimarer Verhältnisse

Eigentlich wollte ich heute nichts mehr schreiben zum Wahlkampf, denn es reicht ja.

Allein: Die seit gestern umgestaltete SPD-Homepage mit einem Wahlaufruf läßt mich doch noch einmal zur Tastatur greifen. Wer “Weimarer Verhältnisse” nicht wolle und dagegen sei “dass die Zukunft unserer Stadt weiter von zahlreichen Splitter-parteien abhängt, die ihre Klientelpolitik durchsetzen, aber keine Perspektive für ganz Wermelskirchen” böten, der solle heute SPD wählen.

Hm. Weimarer Verhältnisse. Das waren nicht nur die vielen Parteien im Deutschen Reichstag. Das waren vor allem das politische Chaos,  die bürgerkriegsähnlichen Verhältnisse, Umsturzversuche und Aufstände, in die undemokratische Kräfte die Gesellschaft und die Demokratie stürzen wollten und gestürzt haben. Das war eine bestimmte Kultur des Krawalls, eine Politik der Gewalt – gegen eine noch nicht sehr entwickelte demokratische Kultur, gegen eine nicht wirklich wehrhaft gewordene Demokratie.

Von all dem kann in Wermelskirchen aber keine Rede sein. Zugegeben: wir haben viele Parteien im Rat. Das alleine aber reicht keineswegs aus, mit dem Schreckgespenst der “Weimarer Verhältnisse” zu operieren.

Mich wundert doch bisweilen, wie sorglos die SPD mit historischen Vergleichen umgeht.